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Thomas Silberhorn
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Frage von Ulrich K. •

Frage an Thomas Silberhorn von Ulrich K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Silberhorn,

Ich wende mich an Sie in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Vertrags von Lissabon wird nun heftig über neue und erweiterte Einflussmöglichkeiten unseres nationalen Parlaments diskutiert. Ich persönlich sehe hier jedoch die Gefahr eines Rückschrittes in Kleinstaaterei, die die EU zu einer zunehmenden Handlungsfähigkeit verurteilen könnte, z. B. wenn andere EU-Länder die gleichen Rechte für sich forderten.
Meiner Meinung nach wäre es sinnvoller, um der begründeten Kritik an der mangelnden demokratischen Legitimierung der EU-Entscheidungen gerecht zuwerden, die Rechte des (direkt gewählten) Europaparlaments zu stärken, und es in seiner Kontrollmacht gegenüber den anderen EU-Gremien zu stärken.
Wie ist Ihre Haltung dazu? Mehr Bundestag und Bundesrat - oder mehr Europaparlament?

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Kastenbauer

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Sehr geehrter Herr Kastenbauer,

mit Ihrer Frage beziehen Sie sich auf den Vorschlag, förmlichen Stellungnahmen des Bundestages in EU-Angelegenheiten künftig grundsätzlich verbindliche Wirkung beizumessen. Die Bundesregierung soll davon nur aus wichtigen außen- und integrationspolitischen Gründen und mit Begründung abweichen dürfen.

Heute muss die Bundesregierung Stellungnahmen des Bundestages nur berücksichtigen, nicht aber beachten. Das bedeutet, dass sich jeder Beamte aus jedem Bundesministerium am Ratstisch in Brüssel über Mehrheitsentscheidungen des Parlaments hinwegsetzen kann. Unsere Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass dies auch praktiziert wird. Da etwa 85 Prozent aller EU-Rechtsetzungsakte auf Beamtenebene schlussverhandelt und von den Ministern lediglich in einer Sammelabstimmung ohne Aussprache (sog. A-Punkte-Verfahren) entschieden werden, handelt es sich um einen gravierenden Vorgang.

Es ist schlicht nicht länger hinnehmbar, dass die deutsche Volksvertretung in EU-Fragen durch jeden Beamten umgangen werden kann. Europapolitik ist längst zur Innenpolitik geworden und muss daher auch zur Sache der Parlamente werden. Es kann doch nicht angehen, dass die Bundesregierung in EU-Fragen ohne jede Rückanbindung an den Bundestag, dem sie ohnehin verantwortlich ist, agieren kann.

Unser Vorschlag, dass die Bundesregierung Stellungnahmen des Bundestages grundsätzlich zu beachten hat, gefährdet in keiner Weise ihre Handlungsfähigkeit in Brüssel. Die Möglichkeit zur Abweichung wird ausdrücklich eingeräumt, allerdings inhaltlich auf bestimmte Gründe beschränkt und formal an eine Begründung und nochmalige Rücksprache mit dem Bundestag gekoppelt. Dieses Modell funktioniert in Österreich, wo es in Art. 23 e der Bundesverfassung verankert ist, seit 1995 völlig problemlos. Im Übrigen haben zahlreiche EU-Mitgliedstaaten noch viel weiterreichende Mitwirkungsmöglichkeiten ihrer Parlamente, ohne dass die Entscheidungsfindung der EU-Organe dadurch beeinträchtigt worden wäre.

Die Wirkung unseres Konzepts ist eine völlig andere, wie schon die sehr maßvolle Anwendung in Österreich zeigt. Durch die Möglichkeit (!) der parlamentarischen Rückanbindung der Bundesregierung werden EU-Angelegenheiten sehr viel intensiver zwischen Bundesregierung und Bundestag beraten. Vor allem aber wird der Bundestag mitverantwortlich für die europapolitischen Entscheidungen der Bundesregierung. Wenn sich der Blick nach Berlin richtet, wird es dem Bundestag bei strittigen Themen also gerade nicht mehr möglich sein, sich mit Schuldzuweisungen an "Brüssel" zu entlasten. Das ist der Weg, um Europapolitik zum Gegenstand öffentlicher Debatten in Deutschland zu machen.

Für eine Stärkung des Europäischen Parlaments habe ich mich immer eingesetzt. Dem Vertrag von Lissabon habe ich auch aus diesem Grund zugestimmt. Wo die Grenzen liegen, hat freilich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu diesem Vertrag völlig zutreffend aufgezeigt. Den Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament wird allerdings aufgefallen sein, dass sie in der aktuellen Debatte über die Mitwirkungsrechte des Bundestages weit größere öffentliche Aufmerksamkeit genossen haben als in vielen europapolitischen Debatten zuvor. Das bestätigt, dass wir die deutsche Europapolitik - genauer: die Mitwirkung der Bundesregierung im Ministerrat - zum Gegenstand der innenpolitischen Auseinandersetzung machen müssen.

Unser Konzept dazu ist übrigens nicht neu. Wir haben es bereits 2004 vorgeschlagen und in einem gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU und CSU vom Januar 2005 ausformuliert. Im Rahmen der Verhandlungen über die Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung in EU-Angelegenheiten war unser Modell die gemeinsame Verhandlungsposition von CDU/CSU und SPD! Der Vertragspartner Bundesregierung war dazu jedoch nicht bereit. Sie sehen: Wir befinden uns in bester Gesellschaft, legen aber nun Wert darauf, endlich zu Ergebnissen zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Silberhorn

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