Frage an Thomas L. Kemmerich von Ines S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Es ist doch so: Der so genannte "Kündigungsschutz" ist Etikettenschwindel, weil er in der realen Welt niemanden vor Kündigung schützt, sondern nur die Basis einer Verhandlung über die Höhe einer Abfindung ist. Könnte man nicht Bürokratie einsparen und gleich ein reines Arbeitnehmer-Abfindungsgesetz machen? Bin gespannt auf Ihre Antwort.
Sehr geehrte Frau Sommer,
auch wenn Ihre Frage gegen den Moderationskodex verstößt, möchte ich doch die Gelegenheit nutzen um auf die Thematik einzugehen. Denn als Unternehmer und Arbeitgeber von über dreihundert Beschäftigten, betreffen mich Regelungen zum Kündigungsschutz natürlich auch und ich habe positive aber auch negative Erfahrungen machen müssen.
In den Schutz vor unverschuldeter Arbeitslosigkeit zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber paritätisch in die Arbeitslosenversicherung ein. Bei eintretender Arbeitslosigkeit erfolgen Zahlungen, wie bekannt.
Es gibt aber auch den Fall, das Kündigungen von Seiten des Arbeitgebers ausgesprochen werden. Und dann stellen die Zahlungen in die Arbeitslosenversicherung PLUS der zusätzlich auftretenden Kosten für Abfindungen eine doppelte Belastung dar. Man stelle sich vor, eine Firma muss betriebsbedingt im Zuge einer notwendigen Restrukturierung Kündigungen aussprechen um Personal abzubauen und um das Überleben des Unternehmens zu gewährleisten: Anstatt Unsummen in Abfindungen zu pumpen, ist die Insolvenz dann die praktikablere Lösung. Etwaige Verfahren ziehen sich über Monate und Jahre. Meistens einigt man sich gütlich. Die Kosten sind trotzdem hoch. Kleine Firmen können Abfindungen die Existenz kosten. In sofern haben Sie Recht, wenn Sie sagen, der Kündigungsschutz ist eigentlich eine Basis zur Verhandlung über Abfindungen und produziert damit überflüssige Bürokratie.
In Dänemark existiert eine Formel, auf die auch ich mich gern verständigen würde: Bei unverschuldeter Arbeitslosigkeit erhält ein Arbeitnehmer aus der Arbeitslosenversicherung vier Monate lang 90 Prozent seines letzten Gehaltes. In dieser Zeit kann er sich einen neuen Job suchen. Punkt. Durch diese simple Regelung ist eine Sicherheit gegeben, aber auch dem Faktor Flexibilität wird Rechnung getragen. Ein Arbeitnehmer-Abfindungsgesetz auf dieser Basis ist in meinen Augen die bessere Alternative zum Kündigungsschutz. Denn: Kündigungsschutz-Gesetze schützen nur diejenigen, die einen Job haben. Arbeitsuchende, insbesondere ältere Arbeitnehmer, Jugendliche oder Mütter/ Väter, haben durch die strikten Regelungen schlechtere Chancen auf eine Anstellung. Das in Deutschland so verbreitete Sicherheitsdenken fällt diesen Menschen auf die Füße.
Mit besten Grüßen aus Erfurt,
Thomas L. Kemmerich