Frage an Thomas Hacker von Thomas S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Segr geehrter Herr Hacker!
In Ihrer Antwort auf die von Herrn N. gestellte Frage schreiben Sie,
Zitat Herr Thomas Hacker:
"Und nach unserer Überzeugung gibt es keine sachlichen Argumente die sozial ausgestalteten Studienbeiträge, die mit einem Studienbeitragsdarlehen auch erst nach dem Studium zurück gezahlt werden können, wieder abzuschaffen. Sie liefern einen ganz erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lehre. Bildungschancen entscheiden sich in den ersten Jahren, denn hier wird der Grundstein für die Chancengleichheit gelegt und nicht in der Beitragsfreiheit am Ende."
http://www.abgeordnetenwatch.de/thomas_hacker-512-19178--f361942.html#q361942
Ich empfinde Ihre Argumentation als wenig schlüssig und als nicht wirklich ehrlich.
Zudem scheinen Sie einiges durcheinander zu bringen:
1. In der Tat entscheiden sich Bildungschancen schon in sehr frühen Jahren - z.B. in Kindergarten und Grundschule, wobei sich aber besonders in Deutschland erhebliche Ungerechtigkeiten bemerkbar machen:
http://www.zeit.de/2008/12/C-Studie-Bildungschancen
Frage 1: Ist Ihnen bzw. der FDP diese Problematik bekannt?
Frage 2: Wenn ja, verfügen Sie über Lösungsansätze bezogen auf diese Problematik
und wenn ja, wie sehen diese aus?
2. Die vorher benannten Aspekte von Bildungsungerechtigkeit setzen sich oft dann fort, wenn die soziale Herkunft über die Frage entscheidet, ob ein Studium aufgenommen wird oder nicht.
Studiengebühren drohen diesen unsozialen Effekt zu verschärfern.
Während Studiengebühren laut Igren Worten einen "ganz erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lehre" leisten sollen, scheinen Sie an einer soliden Finazierung der bayrischen Hochschulen kein Interesse zu besitzen, darauf weist Ihr Abstimmungsverhalten:
27.10.2010 - Hochschulausbau nachhaltig finanzieren: NEIN
27.10.2010 - Notprogrammn für bayerische Universitäten: NEIN
Frage 3:
Warum sollen Menschen ohne eigenes Einkommen eine staatliche Aufgabe übernehmen?
Viele Grüße, Thomas Schüller
Sehr geehrter Herr Schüller,
der FDP und mir persönlich ist selbstverständlich bewusst, dass sich Bildungschancen schon sehr früh, insbesondere bei Kindern aus benachteiligten Familien und bildungsfernen Familien mit Migrationshintergrund, entscheiden; sonst hätte ich auch nicht darauf hingewiesen.
Und gerade in diesem Bereich haben wir in Bayern viel bewegt.
Die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag hat beim Ausbau der Kinderbetreuung unter drei Jahren eine grundlegend neue Schwerpunktsetzung in der Regierungsarbeit in Bayern geschaffen. Seit 2008 haben wir die Anzahl der Krippenplätze massiv vorangebracht – von damals 13 Prozent auf rund 36 Prozent zum Beginn des Krippenjahres 2013/14. Bezogen auf die Gruppe der Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr, für die der Rechtsanspruch ab 01.08.2013 gilt, werden wir in Bayern nach bisherigem Planungsstand einen Versorgungsgrad von voraussichtlich 52 Prozent erreichen. Für den Krippenausbau werden im Doppelhaushalt 2013/14 zusätzlich Mittel in Höhe von 86,6 Millionen Euro zur Anpassung an den gestiegenen Bedarf investiert.
Wir haben den Mindestanstellungsschlüssel gesenkt und den Einstieg in das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr durchgesetzt. Uns geht es auch in Zukunft nicht nur darum die Zahl der Betreuungsangebote weiter zu erhöhen, sondern gleichermaßen auch darum die pädagogische Qualität in den Einrichtungen zu verbessern sowie die Erzieherausbildung perspektivisch zu akademisieren.
In den gesamten Bildungsbereich investieren wir 2012 2,7 Milliarden Euro mehr, als noch in 2008: mehr Lehrer, mehr Ganztagsklassen, höhere Durchlässigkeit durch eine Zusammenarbeit von von Haupt-, Mittel- und Realschule und zusätzliche Studienplätze.
Für die Behauptung, dass Studienbeiträge von der Aufnahme eines Studiums abhalten, gibt es keinerlei empirische Belege. Dies belegt auch eine Studie des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin: „Die Studierneigung ist durch die Gebühren nicht zurückgegangen, auch nicht bei Studienberechtigten aus nichtakademischem Elternhaus, wie Analysen zeigen“
( http://www.wzb.eu/sites/default/files/publikationen/wzbrief/wzbriefbildung182011_helbig_baier.pdf ).
Ganz im Gegenteil: Die Studienanfänger- und Studierendenzahlen in Bayern sind kontinuierlich und überdurchschnittlich gestiegen. Die bayerischen Hochschulen erleben einen Rekordansturm – überproportional zum Anstieg der Akademikerzahlen in Deutschland insgesamt.
Studienbeiträge, die seit dem Sommersemester 2007 gezahlt werden, haben die Studienbedingungen an den bayerischen Hochschulen weiter verbessert. Die Hochschulen nehmen so rund 180 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich ein, die direkt in ein besseres Angebot fließen. Das spürt jeder Studierende – z. B. durch kleinere Gruppen aufgrund von 450 neuen Stellen für wissenschaftliches Personal, durch eine Million zusätzliche Tutorenstunden und eine bessere Betreuung, durch 12 Millionen Euro zusätzlich für die Bibliotheken und damit längere Öffnungszeiten.
Die bayerischen Hochschulen müssen international bestens aufgestellt sein und die Fachkräfte ausbilden, die unsere Wirtschaft braucht. Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen durch einen höheren Staatszuschuss zu ersetzen, wäre der falsche Weg – das zeigt der Blick nach Nordrhein-Westfalen. Dort hat Rot-Grün die Studienbeiträge abgeschafft. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen haben die nordrhein-westfälischen Hochschulen jetzt weniger Geld zur Verfügung: Die Studierendenzahlen steigen; die Zuschüsse nicht. Insgesamt gehen den Hochschulen, die bis zum Wintersemester 2010/2011 Studienbeiträge erhoben haben, rund 19,5 Millionen Euro jährlich verloren. Außerdem können Steuergelder nur einmal ausgegeben werden. Wir investieren zuerst in die Frühkindliche Bildung; denn hier wird der Grundstein für Chancengleichheit gelegt.
Studienbeträge sind schließlich auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Das Angebot der Hochschulen wird aus Steuermitteln der Gesamtgesellschaft getragen. Akademiker haben nach ihrem Studium in der Regel ein höheres Einkommen als der Rest der Bevölkerung. Sie sind deutlich seltener von Arbeitslosigkeit betroffen. Es ist also nur fair, sie auch an den Kosten für ihr Studium in geringfügigen Umfang zu beteiligen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Kosten der Meisterausbildung und der beruflichen Weiterbildung von den Betroffenen komplett getragen werden müssen.
Mit freundlichem Gruß
Thomas Hacker, MdL