Thomas Geisel trägt eine Brille und ein blaues Jackett mit blauer Weste und weißem Hemd
Thomas Geisel
BSW
100 %
/ 1 Fragen beantwortet
Frage von Petra S. •

Wie stehen Sie zur NATO, wie zu Militärübungen, Stationierungen oder Interventionen der Bundeswehr ausserhalb des Gebiets der Bundesrepublik?

Warum findet sich im EU Wahlprogramm keine klare Formulierung zur Bündnisfreiheit, Ablehnung des 2% Ziels der NATO, der Ablehnung der Sanktionen gegen Russland, Syrien etc. oder eine Forderung zur Ratifizierung und Umsetzung des UN Atomwaffenverbotsvertrags?

Eine Kündigung des US Truppenstationierungsvertrags bzw. ein klares Bekenntnis zu "Nie wieder Krieg von deutschem Boden" was auch bedeutet, das von hier keine Kriegsvorbereitungen, Logistikaufgaben oder Drohnenmorde für Kriege stattfinden dürfen, ist auch noch nicht formuliert?

Thomas Geisel trägt eine Brille und ein blaues Jackett mit blauer Weste und weißem Hemd
Antwort von
BSW

Einen Austritt Deutschlands aus der NATO stehe ich kritisch gegenüber, insbesondere deshalb, weil wir so keinen Einfluss auf die weitere Gestaltung dieses Verteidigungsbündnisses ausüben können. Nach meiner Überzeugung sollten aber Überlegungen, wie sie nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" entwickelt wurden, wieder aufgegriffen werden und die NATO transformiert werden zu einem System kollektiver Sicherheit unter Einbeziehung Russlands. Durch die Aufnahme der ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten sowie des Baltikum in die NATO – und insbesondere die aktuelle Diskussion über eine Aufnahme der Ukraine – werden völlig falsche Weichen gestellt und einem neuen kalten (und möglicherweise heißen) Krieg mit Russland der Weg geebnet. So sehr der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zu verurteilen ist, muss es das sicherheitspolitische Ziel Deutschlands bleiben, die Spaltung Europas zu überwinden und wieder fruchtbare Wirtschafts- und sicherheitspolitische Beziehungen mit Europas bevölkerungsreichstem Land – und das ist Russland! – zu entwickeln. Die zunehmende Fokussierung Amerikas auf seine Auseinandersetzung mit China ist insofern für Europa nicht in erster Linie ein Sicherheitsrisiko, sondern bietet auch Anlass und Chance, seine Spaltung zu überwinden, und seine Interessen und Eigenständigkeit selbst ist in der globalen (Un-)Ordnung zu vertreten.


Militärischen Interventionen "out of area" stehe ich grundsätzlich sehr kritisch gegenüber. Allerdings kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein, auch militärisch einzugreifen, etwa wenn ansonsten ein Genozid oder eine humanitäre Katastrophe droht. (Das völkerrechtliche Institut der "humanitären Intervention"). Außerdem kann eine militärische Zusammenarbeit sinnvoll sein, wenn es darum geht, gemäßigte, nicht-interventionistische Staaten zu stärken und eine stabile "Balance of power" zu erhalten. Militärische Interventionen und Stellvertreterkriege mit dem Ziel bestehende Regierungen zu stützen (Regime Change) lehne ich ab. Die Erfahrungen "neokonservativer" Interventionistischer amerikanischer Außenpolitik beispielsweise in Afghanistan, im Irak und in Libyen, aber auch in Syrien, sind insoweit ein abschreckendes Beispiel!
 

Was möchten Sie wissen von:
Thomas Geisel trägt eine Brille und ein blaues Jackett mit blauer Weste und weißem Hemd
Thomas Geisel
BSW