Frage an Thomas Ganskow von Michael K. bezüglich Lobbyismus & Transparenz
Wie wollen sie dafür sorgen, das die Korruption in Deutschland zurückgeht?
Sehr geehrter Herr Kadenbach,
vielen Dank für Ihre Frage. Korruption ist ein weites Feld. Während für
Bedienste im öffentlichen verwaltenden Bereich bereits strenge Grenzen
existieren, sind Zahlungen an Politiker nur eingeschränkt transparent.
Wir PIRATEN fordern klare und umfassende Regelungen zum wirksamen
Vorgehen gegen Abgeordnetenbestechung, um die Rechtslage an den globalen
Mindeststandard der von Deutschland bereits 2003 unterzeichneten, aber
mangels Umsetzung in deutsches Recht immer noch nicht ratifizierten
UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) anzupassen und Deutschlands
internationale Schlusslichtrolle bei der Korruptionsstrafbarkeit von
Abgeordneten zu beenden.
Der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung soll dem für die
Bestechung von Amtsträgern (§ 334 StGB) angenähert werden. § 108e StGB
(Abgeordnetenbestechung) muss dahingehend überarbeitet werden, dass
nicht nur der direkte Stimmenkauf und -verkauf berücksichtigt wird,
sondern auch die Vorteilsannahme und -gewährung in anderen Fällen der
Mandatswahrnehmung oder meinungsbildender Funktionsausübung im
parlamentarischen System. Die Neufassung muss auch immaterielle
Versprechen erfassen und der Straftatbestand auf die Vorteilsannahme
oder -gewährung Dritter sowie Vorteile, die nach der Handlung bzw. dem
Unterlassen gewährt oder angenommen werden, ausgeweitet werden.
Die Annahme von Spenden durch einzelne Abgeordnete muss durch eine
Änderung des § 44a Abs. 2 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der
Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) untersagt werden.
Eine Bagatellregelung („Schnittchenklausel“) für die Bewirtung bei
parlamentarischen Abenden und anderen Veranstaltungen sowie
Ausnahmeregelungen für Zuwendungen im Rahmen von normalem
parlamentarischen Verhalten („parlamentarische Gepflogenheiten“) sollen
sicherstellen, dass die Abgeordneten nicht in der freien Ausübung ihres
Mandats eingeschränkt werden. Sowohl die Schnittchenklausel als auch die
parlamentarischen Gepflogenheiten sollen in einer Anlage zur
Geschäftsordnung des Bundestages verankert und durch den
Bundestagspräsidenten in einer Ausführungsbestimmung festlegt werden.
Verschärfung der Transparenz- und Nebeneinkunftsregeln von Abgeordneten
Wir PIRATEN erkennen die Rolle von Nebentätigkeiten für den beruflichen
Wiedereinstieg nach der Zeit des Abgeordnetenmandats an – insbesondere
für Freiberufler und persönlich haftende Kaufleute. Allerdings wird
Wählern derzeit die Abwägung, ob und inwieweit sich Abgeordnete auf
Grund ihrer Nebeneinkünfte in einem Interessenkonflikt befinden, durch
intransparente Regelungen und Schlupflöcher erschwert bis unmöglich gemacht.
Wir fordern eindeutige Aussagen zur Höhe der Nebeneinkünfte von
Abgeordneten des deutschen Bundestages sowie die Identifizierung
möglicher Interessenkonflikte und Abhängigkeiten – dies ist nach dem
aktuellen Stand des Abgeordnetengesetzes und der Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages derzeit nicht möglich.
Wir stellen fest, dass sich gerade der Bereich ‚Funktionen‘ in
Unternehmen, Vereinen, Verbänden und Stiftungen zu einem massiven
Problem ausgeweitet hat. Unternehmen und Lobbyverbände kaufen sich
insbesondere mit Beiratsmandaten bei Abgeordneten ein. Diese sind in der
Regel durch hohe Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder erheblich
attraktiver als entgeltliche Nebentätigkeiten – bei gleichzeitig
geringerem zeitlichen Aufwand.
Wir fordern daher eine Verschärfung der Transparenz- und
Nebeneinkunftsregeln in der Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages (Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages)
sowie im zehnten Abschnitt des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der
Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz). Dazu gehören
die Verpflichtung, auch einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte
unter EUR 1.000 angeben zu müssen, sowie die Beendung der Verschleierung
der tatsächlichen Einkünfte der Bundestagsabgeordneten über
Stufenangaben. Stattdessen müssen die Abgeordneten verpflichtet werden,
den tatsächlichen wirtschaftlichen Gewinn aus einer Tätigkeit auf den
Cent genau anzugeben. Rechtsanwälte sollen, mit Rücksicht auf den Schutz
ihrer Mandanten, zumindest angeben müssen, aus welcher Branche ihre
Auftraggeber kommen. Eine Veröffentlichung der Identität von Mandaten
soll mit Einwilligung möglich sein.
Da die Ausübung des Mandats im Mittelpunkt der Tätigkeit der
Bundestagsabgeordneten steht, soll die maximale Anzahl der Funktionen in
Aufsichts-, Verwaltungs- und Beiräten oder sonstiger Gremien durch eine
entsprechende Änderung der Verhaltensregeln und des Abgeordnetengesetzes
begrenzt werden, damit die Abgeordneten ihrer primären Tätigkeit
gewissenhaft nachkommen können.
Verstöße gegen Verhaltensregeln und Anzeigepflichten müssen u. a. durch
höhere Ordnungsgelder als bisher geahndet werden.
Nebeneinkünfte, Aufwandsentschädigungen und geldwerte Vorteile sowie
Auftraggeber müssen unmittelbar nach Erhalt maschinenlesbar über den
Bundestagspräsidenten veröffentlicht werden, um die Daten mit dem
Lobbyregister und dem Abstimmungsverhalten in Plenum und Ausschüssen
verknüpfen zu können.
Wir PIRATEN lehnen die intransparente Finanzierung von politischen
Veranstaltungen durch Sponsorengelder ab. Verbände und Unternehmen
versuchen über Sponsorenengagements auf Parteitagen sowie Sommerfesten
von Regierungsbehörden die vergleichsweise strengeren Auflagen für
Parteispenden zu umgehen und sich über die Anmietung von Standflächen
Zugang zu Entscheidungs- und Mandatsträgern zu verschaffen.
Wir fordern die Ergänzung des Parteiengesetzes um eine Anzeigepflicht
für politisches Sponsoring, um die Praxis der indirekten
Unternehmenszuwendungen an Parteien, die Bundesregierung sowie die
Landesregierungen zu beenden und um direkte Zurechenbarkeit zwischen
Sponsoring und politischem Handeln herzustellen. Sponsorengelder müssen
in Zukunft in den Rechenschaftsberichten der Parteien unter Angabe der
Höhe namentlich aufgeführt werden, damit ihre Herkunft nicht wie bisher
als Veranstaltungseinnahmen verschleiert werden kann.
Um die Alimentierung der politischen Einflussbemühungen von Unternehmen
über Steuermittel zu beenden, müssen Sponsoring und direkte Spenden von
Unternehmen zukünftig gleichbehandelt und die steuerliche Absetzbarkeit
von Sponsoringaufwendungen durch juristische Personen abgeschafft werden.
Veranstaltungen der Bundesregierung, der Landesvertretungen der
Bundesländer sowie des Deutschen Staatsoberhauptes sollen anstatt über
Sponsorengelder aus Haushaltsmitteln finanziert werden, damit der Anreiz
für die Haushaltsausschüsse der Parlamente steigt, die Sinnhaftigkeit
von opulenten Sommerfesten genauer als bisher zu prüfen.
Wir PIRATEN lehnen es ab, dass ausgeschiedene Spitzenpolitiker im
Bereich ihrer ehemaligen Zuständigkeiten kurzfristig Tätigkeiten der
politischen Interessenvertretung für Unternehmen und Verbände übernehmen.
Die Sperrfrist muss für Amts- und Mandatsträger in Bund und Ländern
grundsätzlich mindestens ein Jahr betragen und durch eine unabhängige
Stelle ausgesprochen, geprüft und überwacht werden. Die Karenzzeit soll
in Fällen besonders schwerer Interessenskonflikte auf bis zu drei Jahre
ausgeweitet werden können. Darüber hinaus soll eine dreijährige
Anzeigepflicht eingeführt werden, die sich an §42a
Beamtenrechtsrahmengesetz und §69a Bundesbeamtengesetz orientiert.
Zu diesem Zweck soll die Stelle eines unabhängigen Bundesbeauftragten
für Ethik und Antikorruption geschaffen werden, der der Dienstaufsicht
des BMI und der Rechtsaufsicht der Bundesregierung untersteht, jedoch
keiner Fachaufsicht unterliegt. Dieser muss Verstöße gegen
Anzeigevorschriften und Karenzzeiten mit öffentlichen Rügen und
Bußgeldern ahnden und von einem ebenfalls einzurichtenden, aus
Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Zivilgesellschaft und Wirtschaft
paritätisch besetzten, Bundesethikrat beraten werden, der die
angezeigten, geplanten Tätigkeiten beurteilt und gegenüber dem
Bundesbeauftragten öffentliche Empfehlungen ausspricht.
Wir PIRATEN treten dafür ein, das Abgeordnetengesetz (Gesetz über die
Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages) an die
Anforderungen der UN-Konvention gegen Korruption, anzupassen. Dazu gehört:
- die Mandatspflichten eines Abgeordneten zu definieren,
- den Begriff des ungerechtfertigten Vorteils zu definieren sowie
- die Annahme von Spenden durch Abgeordnete zu untersagen
Für parteilose und fraktionslose Abgeordnete könnte gegebenenfalls eine
Sonderregelung geschaffen werden.
Ein weiteres weites Feld ist die Korruption im Geschäftsleben.
Wir PIRATEN setzen uns auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene für
gesetzliche Grundlagen zur systematischen Korruptionsprävention und
-verfolgung ein. Bestechung und Vorteilsnahme mindern das
volkswirtschaftliche Wohlstandsniveau und führen jedes Jahr zu hohen
materiellen und immateriellen Schäden – für die letztendlich die
Steuerzahler und Verbraucher aufkommen.
Verbraucher, Arbeitnehmer und Geschäftspartner müssen in die Lage
versetzt werden, sich schnell und unkompliziert einen Überblick über
Regeltreue und Integrität eines Unternehmens zu verschaffen, um
Korruptionsdelikte in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen und
ihrerseits zu einem korrigierenden Steuerungseffekt beizutragen.
Der Anspruch Deutschlands muss es sein, sich im europäischen Vergleich
beim Thema Korruptionsbekämpfung bzw. -vorbeugung nicht weiterhin im
Mittelfeld zu bewegen, sondern einen Spitzenplatz einzunehmen. Daher
fordern wir insbesondere die Umsetzung der folgenden Maßnahmen:
Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Korruptions- und
Wirtschaftskriminalität müssen in allen Bundesländern eingerichtet und
mit den entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen
ausgestattet werden. Die von den Innenministern erstellten Berichte zur
Korruptionsprävention sollen aus Gründen der Vergleich- und
Nachvollziehbarkeit nach einem einheitlichen Format gestaltet werden.
Wir PIRATEN streben die Einführung eines wirksamen
Unternehmensstrafrechts nach Schweizer Vorbild an, damit Verfahren gegen
juristische Personen eröffnet und Unternehmen unmittelbar für
Korruptionsdelikte zur Verantwortung gezogen werden können.
Der Straftatbestand der Bestechung im Geschäftsverkehr (§§ 298 ff. StGB)
darf nicht mehr nur den Kauf von Wettbewerbsvorteilen erfassen, sondern
muss nach dem sogenannten Geschäftsherrenmodell auf den Kauf von
Pflichtverletzungen ausgeweitet werden. Bei Korruptionsdelikten müssen
sowohl die Verjährungsfristen verlängert als auch der Bußgeldrahmen
angehoben werden.
Die Innenministerkonferenz soll darüber hinaus ein maschinenlesbares
Korruptionsregister in Form einer zentralen schwarzen Liste führen und
im Internet veröffentlichen. Dieses Register soll rechtskräftige
Korruptionsfälle im Inland sowie von deutschen Unternehmen im Ausland
begangene Korruptionsdelikte erfassen. Unternehmen oder Personen mit
schweren Verfehlungen sollen für eine bestimmte Zeit von der Vergabe
öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Wir PIRATEN fordern gesetzliche Vorschriften zur Verankerung von
Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung bzw. -prävention in den
unternehmensspezifischen Führungsgrundsätzen (Corporate Governance). Der
Gesetzgeber soll Unternehmen der Privatwirtschaft und der öffentlichen
Hand durch gesetzliche Mindeststandards dazu verpflichten, Systeme zur
Überwachung der Regeltreue (Compliance) einzuführen und diese in der
Unternehmensberichterstattung darzustellen.
Dazu gehören zum Beispiel die Ausarbeitung von
Anti-Korruptions-Leitlinien, die Ernennung eines Korruptionsbeauftragten
ab einer bestimmten Betriebsgröße, die Ausstattung der internen Revision
mit entsprechenden Vollmachten sowie die Festlegung eines
Maßnahmenkataloges bei Verletzungen der Leitlinien.
Schmiergeldzahlungen an Amtsträger im Ausland müssen konsequenter als
bisher als Korruption bestraft werden. Damit integere Unternehmen im
globalen Wettbewerb keine Nachteile erleiden und darauf verzichten,
Auslandsbestechung über die Verbuchung als Provisionen zu verschleiern,
muss Deutschland in internationalen Organisationen auf die konsequente
Verfolgung von Schmiergeldzahlungen sowie die Verankerung von
moralischen Wertvorstellungen in Wirtschaftsabkommen drängen.
In der Hoffnung, damit in ihrer Wahlentscheidung geholfen zu haben
verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Thomas Ganskow