Frage an Thomas Gambke von Erich W. bezüglich Soziale Sicherung
Wer in der Arbeitszeit mit seinem Arbeitgeber eine Kapitalleistung zur betrieblichen Altersversorgung (Gruppenversicherung) abgeschlossen und diese zu Rentenbeginn erhält, muss für diese Leistung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. So hat es der Gesetzgeber (Rot-, Grüne- Regierung) 2004 bestimmt (siehe auch §229 SGB V). Es spielt keine Rolle wann der Vertrag abgeschlossen wurde (kein Bestandsschutz! entgegen Gesetze für Politiker die Bestandsschutz für sich vereinbaren), oder ob in der Arbeitsphase schon die Höchstbeträge lt. Beitragsbemessungsgrenze gezahlt wurden, man muss zahlen.
Das Bundesverfassungsgericht hat alle Einsprüche über das Sozialgericht abgewiesen (Aktenzeichen 1BvR 1924/07, 1BvR 739 und 1660/08, Pressemitteilung Nr. 94/2010 vom 15.10.2010) und diese Urteile auch bestätigt. Hunderte Einsprüche beweisen wie unsozial dieses Gesetz ist!
Die Beiträge sind je nach Rentenhöhe 10 Jahre zu zahlen. Dies kann einen Aufwand von 20.-€ bis 180.-€ und mehr pro Monat ergeben! Das entspricht ca. 9 bis 25% der Versicherungssumme. Warum soll man da noch vorsorgen? Auch die Aussagen, jeder Bürger sollte zukünftig mehr privat für seine Rente vorsorgen, ist schlecht beraten. Und wie steht es mit den anderen Renten- bzw. Lebensversicherungen (Riester!) – wie werden diese nach Ende der Laufzeit veranlagt?
In der Hoffnung von Ihnen etwas erfreuliches zu hören verbleibe ich
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Weißmann,
vielen Dank für Ihren Beitrag zu den Auswirkungen der Gesundheitsreform auf die Höhe Ihrer Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Die von Ihnen kritisierte Regelung geht zurück auf die Gesundheitsreform 2004. Damals wurde von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD und der CDU/CSU beschlossen, dass auf Arbeitseinkommen von Rentnerinnen und Rentnern aus selbstständiger Tätigkeit und auf Versorgungsbezüge, die im Zusammenhang mit einem früheren Arbeitsverhältnis stehen, statt des halben allgemeinen Beitragssatzes der volle Krankenversicherungsbeitrag gezahlt werden muss. Darüber hinaus wurden die Bezieherinnen und Bezieher von laufenden und einmalig gezahlten Versorgungsbezügen gleichgestellt. Auf einmalig ausgezahlte Versorgungsbezüge, die im Rahmen der betrieblichen Alterssicherung abgeschlossen wurden, waren bis dahin keine Beiträge zu entrichten, wenn die Kapitalabfindung vor Renteneintritt ausgezahlt wurde. Laufende Versorgungsbezüge und Kapitalabfindung nach Renteneintritt wurden dagegen schon bis dahin mit Beiträgen belegt. Diese unterschiedliche Behandlung von laufenden und einmalig gezahlten Versorgungsbezügen war ungerecht. Sie spiegelte nicht die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen wieder, sondern machte die Höhe der Beitragsbelastung vom Auszahlungsmodus abhängig.
Auslöser der Gesetzesänderungen war der Umstand, dass der Selbstfinanzierungsanteil der Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner von 1973 bis 2003 von gut 70 Prozent auf rund 43 Prozent abgesunken war. Rund 57 Prozent mussten über das Beitragsaufkommen der jüngeren Krankenversicherten aufgebracht werden. Vor diesem Hintergrund haben wir und die anderen an der Gesundheitsreform 2004 beteiligten Parteien es für notwendig gehalten, dass sich leistungsfähige Rentnerinnen und Rentner stärker an den Kosten ihrer Krankenversicherung beteiligen als bis dahin.
Diese Regelungen führten in den vergangenen Jahren zu verschiedenen Klagen, die meist vom Bundessozialgericht (BSG) abgeschlossen wurden. Das BSG hat bisher entschieden, dass die Ausweitung der Beitragspflicht rechtens ist. Gegen zwei Entscheidungen des BSG wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt, die in einem Fall erfolgreich war.
Das Bundessozialgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts der Krankenversicherung umfassender sei als der nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (vgl. z.B. Urteile des Bundessozialgerichts vom 06.02.1992 - 12 RK 37/91 und vom 11.10.2001 - B 12 KR 4/00 R). Deshalb komme es für die Zuordnung der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Ergebnis nicht darauf an, wer die Leistungen finanziert habe. Leistungen der betrieblichen Alterssicherung gehörten demnach selbst dann zu den Versorgungsbezügen, wenn ausschließlich die ArbeitnehmerInnen die Beiträge aufgebracht haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat am 28. September 2010 entschieden, dass die Typisierung des BSG als Betriebsrente auch dann korrekt sei, wenn die betriebliche Versicherung nach dem Ausscheiden der ArbeitnehmerInnen aus dem Unternehmen zwar durch Beiträge der ArbeitnehmerInnnen, aber weiterhin im Rahmen des Betriebsrentenrechtes geschehe. Allerdings ist die Grenze der Typisierung gemäß des Bundesverfassungsgerichts dann überschritten, wenn in einem Lebensversicherungsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die ArbeitnehmerInnen und nicht mehr der Arbeitgeber als VersicherungsnehmerInnen eintreten. In diesem Fall bestehe kein Unterschied mehr zu privaten Lebensversicherungen (die für Pflichtmitglieder nicht der Beitragspflicht unterliegen). Es dürfe daher (bei Pflichtmitgliedern) nur anteilig von einer Betriebsrente ausgegangen werden. Das BSG hat Ende März 2011 entschieden, dass dies auch für den Fall gilt, dass erst eine private Versicherung bestand, die später betrieblich weitergeführt wurde.
Rein rechtlich scheinen die geltenden Regelungen zur Verbeitragung von Versorgungsbezügen also in Ordnung zu sein. Wenigstens ebenso wichtig ist aber natürlich die Frage, ob diese Regeln als "gerechter" als die bis dahin geltenden Regelungen bezeichnet werden können. Wir würden diese Frage auch in der Rückschau grundsätzlich mit einem "Ja" beantworten. Zum einen, weil die Rechtsänderung zu mehr Beitragsgerechtigkeit zwischen älteren und jüngeren Versicherten geführt hat. Aber auch, weil in der gesetzlichen Krankenversicherung der Grundsatz gilt, dass die Beiträge nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erhoben werden. Zu dieser Leistungsfähigkeit tragen aber auch die Bezüge bei, die Versicherte neben ihren Renteneinkommen erhalten. Dies gilt selbstverständlich auch für einmalig ausgezahlte Geldsummen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen auch über den Monat der Auszahlung hinaus verbessern. Trotzdem - da sind wir uns in der Bewertung wahrscheinlich einig - sind die beschlossenen Regelungen natürlich nicht wirklich befriedigend. Dass die zusätzliche Alterssicherung beitragsrechtlich unterschiedlich behandelt wird - je nachdem, ob sie privat oder über den Arbeitgeber abgeschlossen wird - ist auch aus unserer Sicht unbefriedigend.
Wir wären deshalb lieber einen anderen Weg gegangen. Wir setzen uns nach wie vor für eine Bürgerversicherung ein, in die die gesamte Wohnbevölkerung einbezogen und die Beitragsbemessungsgrundlage auf alle Einkunftsarten bis zur Beitragsbemessungsgrenze ausgedehnt wird. Auch eine solche Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage würde zu höheren Beitragszahlungen für die Versorgungsempfänger führen, die neben ihren Versorgungsbezügen auch eine Altersrente erhalten. Die Mehrbelastungen würden aber deutlich niedriger ausfallen, als mit der nun geltenden Regelung. Allerdings gibt es für solch einen großen Reformschritt noch keine parlamentarischen Mehrheiten.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Thomas Gambke