Frage an Thomas Gambke von Michael W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gambke,
als Student der Betriebswirtschaft der eventuell in der Finanzdienstleistung seine berufliche Zukunft sieht würde ich gerne die Position von Ihnen und Ihrer Partei zur aktuellen Debatte im Finanzausschuss über die Regulierung von Finanzdienstleistern erfahren.
Unterstützen Sie die Banken und sonstige Provisionsberater denen neuerlich wieder mit einem Stiftung Warentest Urteil "mangelhaft" testiert wurde dass ihnen alles am Herzen liegt außer das Wohl der Kunden oder unterstützen sie die kleine innovative Bewegung der unabhängigen Kapitalanlageberatung / Honorarberatung?
Wenn sie Zweitere unterstützen, wie wollen sie die Gesetzgebung zu deren Regulierung gestalten?
Wollen sie aktuelle gesetzliche Misstände die jedem ehrlichen Berater fast unüberwindbar hohe Hürden in den Weg stellen beibehalten und ihnen noch zusätzlich den Lebensunterhalt durch den Vertrieb offener Fonds wegnehmen und diesen Zweig in die Hände der großen Provisionsberater legen?
Oder wollen sie ermöglichen dass sich fair geprüfte, qualifizierte Personen schon mit weniger als 100.000€ selbstständig machen und im Interesse der Kunden gegen die Provisionsberatung antreten können?
Ich habe Ihnen auch eine ausführliche E-Mail zu diesem Thema an ihre öffentliche Mailadresse gesendet, die auch einen Link zu einem Wirtschaftswoche Artikel enthält der das Problem detailliert illustriert. In beiden enthalten ist eine ausführliche Darstellung des untragbaren Status Quo der Branche und Anregungen zur Verbesserung.
Vielen Dank im Vorraus für Ihre Bemühungen sich mit diesem wenig öffentlichen aber für das wohlergehen aller Sparer wichtigen Fragestellung zu beschäftigen.
Mit freundlichen Grüßen
M. Weidner
Sehr geehrter Herr Weidner,
zunächst bitte ich Sie um Verständnis, dass sich die Antwort auf Ihre Anfrage zum Thema Honorarberatung so lange verzögert hat. Bei der Fülle der Anfragen und den beschränkten Mitteln einer kleinen Fraktion war es mir nicht möglich, den Vorgang früher als jetzt in den etwas ruhigeren Tagen der Sommerpause zu bearbeiten. Ich bedanke mich auch für Ihre interessanten Anregungen und will Ihnen gerne meine Position zum Thema und die der Grünen Bundestagsfraktion erläutern.
Meine Fraktion hat sich stets für einen umfassenden Verbraucherschutz im Bereich von Finanzdienstleistungen eingesetzt. Für uns heißt dies vor allem:
• mehr Sicherheit beim Umgang mit Finanzprodukten durch Zugang zu einem unabhängigen und von der Finanzbranche finanzierten Beratungsangebot,
• bessere Vergleichbarkeit der Finanzprodukte,
• strengere Regeln für Finanzdienstleister,
• eine Verlagerung der Beweislast bei Falschberatung von den Verbraucherinnen und Verbrauchern hin zu den Finanzinstituten und
• eine klare Zuständigkeit der BaFin für Verbraucherschutz gemeinsam mit Einrichtungen, die als aktive Verbraucherorganisationen den Markt beobachten, Verbraucheraufklärung betreiben und als Beschwerde- und Schlichtungsstelle für Verbraucherinnen und Verbraucher dienen sollen.
Dies sind unsere groben Leitlinien im Bereich des Verbraucherschutzes bei Finanzprodukten. Im konkreten Fall der Provisionsberatung und der damit verbundenen Vorschläge seitens der Bundesregierung haben ich und meine Fraktion folgende Bewertung und Position:
Mit den Vorschlägen aus dem Finanzministerium kommt man einerseits mit der Einführung der Erlaubnispflicht für die Vermittlung und Beratung von Graumarktprodukten nach § 32 Kreditwesengesetz dem Ziel ein Stück näher, auf Vertriebsebene alle Finanzdienstleister einheitlichen Mindeststandards zu unterwerfen. Außerdem geht mit dem im Diskussionsentwurf vorgeschlagenen Weg, die Geltung der Wohlverhaltenspflichten der §§ 31 ff. Wertpapierhandelsgesetz für diese Vermittlergruppe und insbesondere deren laufende Überwachung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) einher. Gerade hier brächte eine Anwendung des Gewerbeaufsichtsrechts aber aus Anlegersicht offenkundige Nachteile mit sich.
Die Aufsicht über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben wäre eine effektive Möglichkeit, missbräuchliches und schädigendes Verhalten von Finanzdienstleistern frühzeitig aufzudecken und Schäden zu begrenzen. Doch schon heute zeigt sich, dass es bei den Vermittlern, die der Gewerbeaufsicht unterliegen, an einer laufenden Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften wie von Beratungs- oder Dokumentationspflichten mangelt. Das ist damit zu erklären, dass sich die Aufsicht der Gewerbeämter auf die Zulassung zum Geschäftsbetrieb und auf die klassische Gewerbeuntersagung beschränkt. Die laufende Überwachung des Geschäftsgebarens von Finanzdienstleistern am grauen Kapitalmarkt hingegen kann von den Gewerbeämtern mit den ungeeigneten Eingriffsbefugnissen des Gewerbeaufsichtsrechts nicht erbracht werden. Die Folge ist, dass selbst grobe Verstöße der am grauen Kapitalmarkt tätigen Anbieter und Vermittler bisher keine Konsequenzen nach sich zogen.
Am Ende wird eine effektive Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten nur durch die BaFin bewerkstelligt werden können, um ein bundesweit einheitliches Vorgehen zu ermöglichen und damit eine Aufsichtsarbitrage infolge der dezentralen Gewerbeaufsicht zu verhindern. Hier stimmen wir mit den Anregungen aus Ihrem Schreiben überein.
Weiter eröffnet sich die auch von Ihnen aufgeworfene Frage, nach der Verhältnismäßigkeit der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Erlaubnis- und Aufsichtspflicht nach dem Kreditwesengesetz für die freien Berater und Vermittler von Graumarktprodukten. Hier ist zu berücksichtigen, dass sich im Rahmen des im Diskussionsentwurf vorgestellten regulatorischen Weges durchaus Möglichkeiten ergeben, auf die wirtschaftlichen Spezifika des freien Finanzvertriebes einzugehen. Deshalb fordern wir Grünen hinsichtlich der Zulassung und der laufenden Aufsicht der Anlageberater und - vermittler von Graumarktprodukten ein differenzierendes, abgestuftes Verfahren, so dass diese nicht alle Pflichten des Kreditwesengesetzes erfüllen müssen. Schon heute sieht beispielsweise § 33 Abs. 1 S. 2 Kreditwesengesetz die Möglichkeit vor, anstelle des Anfangskapitals eine geeignete Versicherung zum Schutz der Kunden vorzuhalten. Wir sehen in diesem Weg – sozusagen Kreditwesengesetz mit Einschränkungen – eine pragmatische Lösung, die beiden Anforderungen – einheitliches Schutzniveau für Verbraucherinnen und Verbraucher und angemessene Berücksichtigung der Markt- und Produktbedingungen - entspricht. Ob die IHK, wie von Ihnen angeregt, eine geeignete Institution wäre, um die Ausbildung von Finanzberatern zu organisieren und durchzuführen, sehe ich insofern kritisch, als dass hier noch keine Erfahrungen im Bereich von Finanzprodukten und –dienstleistungen vorhanden sind. Somit wäre hier zunächst der Aufbau der passenden Strukturen von Nöten.
Ein ganz anderes Kapitel wäre das Thema der generellen Zulassungspflicht von Finanzprodukten und vor allem Derivaten mit der Wirkung, die Anzahl und damit auch Intransparenz vieler Finanzprodukte substantiell einzuschränken. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat dazu starke Worte im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages gesprochen, allein, ich sehe zur Zeit keine ernsthafte, tiefgreifende, internationale Debatte mit dem o.g. Ziel zu diesem Thema. Nach meiner persönlichen Einschätzung wäre hier großer Handlungsbedarf.
Als letztes Argument möchte ich die Verantwortung des Anlegers ansprechen. Bei allem begründeten Regelungsinteresse im Sinne eines Verbraucherschutzes sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass der Anleger selbst die Hauptverantwortung trägt. Die große Anzahl der unabhängigen Finanzberater ist auch ein Ausdruck sowohl über die Komplexität der Märkte und Produkte als auch die Vorstellung von leistungsloser Wohlstandsmehrung. Beides muss auf ein vernünftiges Maß zurückgeführt werden. Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit der Antwort meine Positionen verständlich machen und stehe für etwaige Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit den besten Grüßen
Dr. Thomas Gambke