Frage an Thomas Feist von Jörg B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Thomas Feist,
Schulen und Autobahnen sollen zur Zeit im Eilverfahren per Grundgesetzänderung der Privatisierung zugeführt werden. Die Bildung von Bürgern wird damit den Mechanismen und Regeln der Marktwirtschaft ausgesetzt. Warum wollen Sie dass? Vom Volk bezahlte Straßen (Autobahnen) sollen an privat verkauft werden? Wie wird das Volk am Verkaufsgewinn beteiligt werden? Warum soll dies alles im Eilverfahren geschehen?
Danke!
Mit freundlichen Grüßen
Jörg
Sehr geehrter Herr Bolle,
vielen Dank für Ihre Nachfrage nach der vor Kurzem erfolgten Änderung des Grundgesetzes, die unter anderem die Schaffung einer Infrastrukturgesellschaft sowie die Einführung eines neuen Artikels 104c im Grundgesetz zur Mitfinanzierungskompetenz des Bundes im Bereich kommunaler Bildungsinfrastruktur umfasste.
Zuerst ist hierzu zu sagen, dass die vielfach so bezeichnete "Privatisierung von Autobahnen" sowie von Schulen einfach nicht stattfindet. Die Schaffung der Infrastrukturgesellschaft, die als GmbH vollständig im Eigentum des Bundes verbleibt, dient dazu, die Bundesautobahnen in unmittelbare Bundesverwaltung übernehmen zu können. Dadurch kommt es zu einer sinnvollen Bündelung von Finanzierung, Planung, Bau und Betrieb des Autobahnnetzes in einer Hand beim Bund, Reibungsverluste zwischen Bundes- und Länderzuständigkeiten werden abgebaut und ein bundesweit einheitlich hohes Qualitätsniveau unseres Autobahnnetzes sichergestellt.
Entgegen dem oft und zu Unrecht erhobenen Privatisierungsvorwurf ist die unmittelbare und auch die mittelbare Beteiligung Dritter (Privater) an der Gesellschaft und ihren Tochtergesellschaften im Grundgesetz und in den Begleitgesetzen ausgeschlossen worden. Weiterhin wird die neue Infrastrukturgesellschaft einer weitreichenden Kontrolle von Bundestag und Bundesrechnungshof unterliegen.
Die Vorverhandlungen zum Gesamtpaket der Grundgesetzänderungen wurden seitens der Länderregierungschefs und in den befassten Ausschüssen des Deutschen Bundestages bereits langfristig geführt und die Abstimmung im Bundestag aufgrund weiteren Diskussionsbedarfes von Seiten des Parlaments sogar einmal verschoben. Daher lag hier keine übertriebene Eile vor, sondern es gab einen ausgewogenen und demokratischen Entscheidungsfindungsprozess.
Die von Ihnen angesprochenen Schulen sind im beigefügten Gesetzentwurf nicht direkt adressiert. Hier soll hingegen durch die Einführung eines neuen Artikels 104c im Grundgesetz die Mitfinanzierungskompetenz des Bundes auf den Bereich kommunaler Bildungsinfrastruktur ausgeweitet werden. Der neu gefasste Artikel soll laut dem beigefügten Gesetzentwurf wie folgt lauten:
Art. 104c GG
„Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Artikel 104b Absatz 2 und 3 gilt entsprechend.“
Bildung ist und bleibt also eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge in geteilter Verantwortung von Ländern und Kommunen mit struktureller Schützenhilfe vom Bund und das ist auch gut so.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Dr. Thomas Feist
Mitglied des Deutschen Bundestages