Frage an Thomas Feist von Michael H.
Sehr geehrter Herr Feist,
ich habe prinzipiell nichts gegen den Grundsatz, wer viel leistet, soll viel dafür bekommen. Und Sie als Berufspolitiker haben unbestritten ein hohes Arbeitspensum und auch viel Stress. Leider habe ich noch nie verstanden, wieso sich die Berufsgruppe der Politiker, die Höhe der Diäten selbst festlegen kann. Nun glaubte ich meinen Augen nicht, als ich in einem Artikel http://www.welt.de/politik/deutschland/article125069884/Bundestag-beschliesst-hoehere-Diaeten-fuer-Abgeordnete.html las, dass ein Großteil der Mitglieder des Deutschen Bundestages für eine Diätenerhöhung von 10% zugestimmt hat, so auch Sie. Ebenfalls habe ich mit Erstaunen gelesen, dass es bald zu einer Art Automatismus bei der Anpassung der Diäten an das allgemeine Lohnniveau kommen soll. Können Sie mir bitte sagen, wie Sie Ihre Zustimmung moralisch rechtfertigen? Denn wie kann es sein, dass zum Beispiel eine junge Erzieherin, die unbestritten eine hohe Verantwortung trägt und auch großem Stress ausgesetzt ist, nach TVöD http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/tvoed/sue?id=tvoed-sue-2013i&matrix=1 ein Monatsentgelt von ca. 2200 € bekommt. Bleiben unterm Strich nach Abzug von Sozialversicherung und Lohnsteuer ca. 1600 - 1700 €. Und Sie haben nun einer Erhöhung der Diäten, um 830 € auf 9082 € monatlich zugestimmt. Woran machen Sie die Verhältnismäßigkeit von Arbeit zu Verdienst fest? Ist denn die Arbeit von so vielen Menschen in Deutschland, die im Grunde durch die enormen Steuerabgaben auch Ihre Diäten finanzieren, nichts mehr wert? Ich bitte Sie um Beantwortung meiner beiden Fragen?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hauschild
Sehr geehrter Herr Hauschild,
die Anhebung der Bezüge von Bundestagsabgeordneten, welche im vergangenen Jahr neu geregelt wurde, erfolgte nach raumgreifender öffentlicher und parlamentarischer Diskussion und folgte einer Empfehlung einer unabhängigen Expertenkommission (Schmidt-Jortzig-Kommission) aus dem Jahr 2013. Mit der Erhöhung der Diäten ging zugleich eine Reduzierung der maximalen Altersbezüge auf 65 Prozent der Diät nach frühestens 26 Dienstjahren (die Regel sind 8 Dienstjahre und damit 20 Prozent der Diät als Altersbezug, frühestens mit 63 statt wie vorher schon mit 57 Jahren) und wie von Ihnen bereits angeführt eine Koppelung an die Verdienstentwicklung der Arbeitnehmer einher. Auch die Renten werden auf die Entschädigung angerechnet. In Zukunft erhält ein aktiver Abgeordneter neben der Diät nur 20 Prozent seiner Rente ausgezahlt, ein ausgeschiedener Parlamentarier 50 Prozent. Diese gesetzlich geregelten Maßnahmen wurden bereits seit dem Jahr 1995 vertagt, also über 19 Jahre hinweg. Mit dem Entschluss des Bundestages verdienen Abgeordnete nun so viel Landrat oder ein Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt.
Die Expertenkommission war von dem Grundsatz ausgegangen, dass ein Abgeordneter für die Zeit seines Mandats eine ausreichende Existenzgrundlage haben muss. Die Höhe der Entschädigung sollte ihrer Auffassung nach außerdem der Bedeutung des Amtes und den mit ihm verbundenen Belastungen gerecht werden.
In den vergangenen zehn Jahren hat der Bundestag sechs Mal auf die Anhebung der Abgeordnetendiäten verzichtet. Daher lag zwischen dem Gehalt eines Richters an einem obersten Bundesgerichtshof und der Diät eines Abgeordneten vor der Reform eine Differenz von rund 830 Euro. Diese Differenz wurde in zwei Schritten ausgeglichen. Abgeordnete erhalten seit dem 1. Juli 2014 und seit dem 1. Januar 2015 jeweils eine Diätenerhöhung von 415 Euro. Von jetzt 8.252 Euro stieg die Diät also zunächst auf 8.667 Euro, dann auf 9.082 Euro. Von dieser Vergütung muss sich jeder Abgeordnete selbst versichern und Sozialabgaben abführen, sowie in beträchtlichem Umfang Kosten tragen, die aus dem politischen Mandat entstehen. Es handelt sich also mitnichten um einen Nettoverdienst.
Ab Juli 2016 werden die Diäten an den sogenannten Nominallohnindex gekoppelt, der die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste aller abhängig Beschäftigten im Bundesgebiet erfasst. Die Anpassung erfolgt jedes Jahr zur Jahresmitte. Steigt der Index, steigen auch die Abgeordnetenentschädigungen; sinkt er, sinken sie ebenso. Zu Beginn jeder Legislaturperiode muss der Bundestag entscheiden, ob er diese Regelung beibehalten will.
Über die genannten Veränderungen hinaus wurde auch die Vorsorge gegen Abgeordnetenbestechung neu geregelt. Damit setzte Deutschland die UN-Konvention gegen die Korruption um. Zwar konnte ein Abgeordneter auch vorher schon bestraft werden, wenn er seine Stimme kaufen lie0ß. Doch das galt nur bei Abstimmungen im Ausschuss und im Plenum. Seither muss bei allen Mandatshandlungen sichergestellt sein, dass sie nicht mit Geld oder anderen Vorteilen erkauft sind, was für mich eine Selbstverständlichkeit darstellt.
Ich stimme Ihnen zu, dass auch Arbeitnehmer, gerade im Bildungsbereich, in Kitas, in der Pflege, im medizinischen Bereich und vielen anderen verantwortungsvollen Tätigkeitsfeldern mehr Wertschätzung - auch monetär - brauchen, als sie aktuell bekommen. Die erfolgreichen Tarifverhandlungen der letzten Monate aber auch die andauernden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst und insbesondere für Erzieherinnen und Erzieher machen deutlich, dass die Arbeit dort mehr wert ist, als mitunter gezahlt wird. Die Forderung von eben auch 10 Prozent Gehaltszuschlag führen vor Augen, dass hier teilweise großer Nachholbedarf besteht. Hier liegt jedoch der Unterschied vor, dass diese Bereiche grundsätzlich der Lohnfindung im Tarifverfahren zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterliegen, während die Vergütung von Abgeordneten dies nicht tut, also ein anderer Mechanismus zur Findung angemessener Bezüge herangezogen werden muss.
Ein reiner Vergleich der Löhne und Vergütungen zwischen Erzieherinnen und Erziehern auf der einen und Abgeordneten auf der anderen Seite, wie in Ihrem Beispiel, führt jedoch in keine sinnvoll Richtung, ebenso wenig wie der zwischen Abgeordneten oder Erzieherinnen und Fußballspielern, da in jedem der Bereiche verschiedene Logiken vorherrschen.
Bei der Vergütung von Abgeordneten geht es grundlegend natürlich um die Entlohnung eines hohen Arbeitsaufwandes, der auch vor nächtlicher Stunde oder Wochenenden keinerlei Halt macht, vor allem geht es aber um die Voraussetzung für Unbestechlichkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Nebenher muss auch bemerkt werden, dass aus meiner Erfahrung heraus alle Abgeordneten in hohem Maße für caritative, kulturelle, humanitäre oder soziale Zwecke spenden und Ihre Vergütung damit auch ehrenamtlich tätigen Organisationen zugutekommen lassen.
Um Ihre zweite Frage zu beantworten: Die Arbeit von Menschen ist immer etwas wert und die Steuern und Abgaben, die auf Löhne und Gehälter aufgeschlagen werden, fließen nur in minimalen Bruchteilen der Aufrechterhaltung einer adäquaten parlamentarischen Vertretung zu und kommen in Form von Infrastruktur in allen Formen und staatlichen Dienstleistungen fast vollständig über die Mittelplanung des Bundeshaushaltes wieder an die Bürger und Bürgerinnen zurück.
Mit herzlichen Grüßen
Dr. Thomas Feist