Frage an Thomas Feist von Rene U. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Dr. Feist,
Da ich leider auf Ihre Fragen nicht direkt antworten kann, muss ich diese in eine neue Frage packen.
Sie beantworteten meine letzte Frage im Grunde damit, dass es uns in D ja noch recht gut geht und die Menschen das zu schätzen wissen. Da haben Sie wohl recht, allerdings werden Nebelkerzen gezündet, die den Blick nach vorn eintrüben sollen.
Meine Frage ist aber nun, auf wessen kosten es uns so gut geht?
Unser Exportüberschuss ist der anderen Länder Defizit.
Nicht umsonst kippt die Wirtschaft der Südländer um zweistellige Prozenzbeträge ab und die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 50-70%.
(Die Arbeitslosenzahlen der Südländer sind eventuell sogar realistisch berechnet, gegenüber den unsrigen, welche durch Herausrechnen
diverser "Gruppen", die sich in "Maßnahmen" befinden, nach unten gedrückt werden.)
Geschuldet auch durch einen Euro, der nicht der Wirtschaftsleistung dieser Länder entspricht und dementsprechend deren "Produkte" überteuert. Klar, dass Deutschland bzw. deren Konzerne dann davon profitieren.
Aufgrund der hohen Verschuldung, die aus geldsystemtechnischen Gründen nie getilgt werden kann (da Geld durch Schuld entsteht), werden die Verschuldungszahlen exponential weiter wachsen und die Staaten zu Sparmaßnahmen gezwungen, die uns in D unvorstellbar und früher oder später zu erwarten sind.
In D haben wir mit die höchste Quote im Niedriglohnsektor in Europa.
Das passt so gar nicht zu Ihrer Aussage und ich kann nur hoffen, dass diese Menschen auch den Sinn erkennen zur Wahl zu gehen.
Finden Sie dies nicht ein unfaires Resultat der gemeinsamen Währung in einem so ungleichen Europa?
Auch weltweit betrachtet leben die Industrienationen auf Kosten der Schwellen- und Entwicklungsländer.
Wir verschiffen unseren Müll nach Afrika, damit wir die Entsorgung sparen. Durch "Entwicklungshilfe" zerstören wir die lokalen Wirtschaftskreise der Kleinbauern etc.
Das ist keine soziale Marktwirtschaft, die dem Menschen dient.
besten Gruß
René Urbanski
Sehr geehrter Herr Urbanski,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage. Mittlerweile haben wir ja eine regelrechte Brieffreundschaft über abgeordnetenwatch.de entwickelt. Auch wenn unsere Ansichten bisher nicht so recht zusammenpassten, finde ich es trotzdem toll und vorbildlich, dass Sie sich so engagiert für Ihre politischen Überzeugungen einsetzen. Gerne können wir uns auch einmal persönlich unterhalten. In einem Gespräch lassen sich Argumente und Positionen – auch strittige – leichter austauschen. Sollten Sie daran Interesse haben, finden Sie mich in den nächsten Wochen an zahlreichen Infoständen in der ganzen Stadt. Diese werden in der Tagespresse veröffentlicht. Gerne können Sie über mein Büro auch genaue Daten und Orte erfragen.
Nun zu Ihrer aktuellen Frage. Ich verstehe Ihren Blickwickel durchaus. Ja, Deutschland als Exportnation profitiert aktuell von der starken Nachfrage aus dem Ausland. Das liegt aber vor allem daran, dass wir in der Bundesrepublik eine leistungs- und wettbewerbsfähige Wirtschaft haben, die qualitativ hochwertige Produkte herstellt. Das ist eine gemeinsame Leistung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land, die hart an innovativen Produkten arbeiten. Daran ist doch grundsätzlich nichts auszusetzen.
Die deutsche Wirtschaft ist ja zum Teil deshalb so leistungsfähig, weil wir in der Vergangenheit in Deutschland schon schmerzhafte aber notwendige Reformen durchgesetzt haben. Arbeitgeber haben stets in ihr Personal und in Forschung und Entwicklung investiert. Die Tarifpartner haben tragfähige Kompromisse gefunden. Der Staat hat Prioritäten bei Bildung und Forschung gesetzt. All diese Dinge haben unsere europäischen Nachbarländern, die finanziell in Schieflage geraten sind, in der Vergangenheit vernachlässigt. Es wurde weit über die wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus gelebt und auf Pump finanziert. Diese Reformen müssen diese Länder nun nachholen. Als verlässlicher Partner muss Deutschland diesen Ländern solidarisch zur Seite stehen, um die Reformmaßnahmen und die Konsolidierung der Haushalte zu unterstützen. Und genau das tun wir mit. Nicht nur das, wir setzen uns auch massiv für Wachstumsimpulse ein. Mit dem Pakt für Wachstum und Beschäftigung wurden Maßnahmen zur Steigerung von Wachstum, Beschäftigung, Investitionen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vereinbart; dafür sollen in den nächsten Jahren EU-weit 120 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stehen, zusätzlich stehen EU-weit 6 Milliarden Euro für Jugendbeschäftigung zur Verfügung.
Gerade die hohe Jugendarbeitslosigkeit hat diese christlich-liberale Koalition als drängendes Problem erkannt. In einem von mir federführend erarbeiteten Antrag ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/134/1713484.pdf ), fordern wir die Bundesregierung deshalb auf, durch internationale Kooperationen und eine Ausweitung der hervorragenden deutschen dualen Ausbildung die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu bekämpfen. Insbesondere im Bereich der Bildungskooperationen unter den einzelnen Mitgliedsländern ist schon viel passiert und noch mehr geplant. Einen guten Überblick finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/143/1714352.pdf.
Ich möchte auch noch einige Worte zu dem Niedriglohnsektor sagen. Es ist zwar richtig, dass 2011 rund 22 Prozent der abhängig Beschäftigen im Niedriglohnsektor arbeiteten, allerdings rücken andere Statistiken diesen Befund in ein anderes, positiveres Licht.
1. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Publikation:„Wie gerecht ist Deutschland“, 2013) hat aufgezeigt, dass die Jobs im Niedriglohnsektor nicht auf Kosten besser bezahlter Arbeitsplätze entstanden sind, vielmehr wurden zusätzliche Arbeitsplätze für zuvor nicht erwerbstätige Personen, die wieder oder zum ersten Mal einen Arbeitsplatz gefunden haben, geschaffen.
2. Der Niedriglohnsektor dient demnach auch als Sprungbrett. Rund 25 Prozent der Beschäftigten schaffen es, innerhalb eines Jahres, eine besser bezahlte Stelle zu erreichen.
3. Auch stehen niedrige Löhne nicht gleich für Armut. Nur jeder siebte Niedriglohnbezieher ist armutsgefährdet. Die Armutsgefährdung beispielsweise von Erwerbslosen ist vier Mal so hoch.
4. Weniger als 20 Prozent der Beschäftigen im Niedriglohnsektor verdienen weniger als 8,50 Euro je Arbeitsstunde.
Jeder der einen Vollzeitjob hat, muss von diesem Gehalt leben können, das ist meine Überzeugung und mein politisches Ziel. Daher ist es wichtig, die Zahl, der Menschen, die für einen niedrigen Lohn arbeiten, möglichst gering zu halten. Eine pauschale Verteufelung des Niedriglohnsektors ist aber auch nicht richtig oder zutreffend. Der Niedriglohnsektor kann eine gute Einstiegsmöglichkeit für Menschen mit geringeren fachlichen Qualifikationen oder für Langzeitarbeitslose bieten.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Feist