Frage an Thomas Feist von Marko S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage aus dem Jahr 2009, #Neuland. Da jetzt doch etwas Zeit vergangen ist, hätte ich da noch ein paar Nachfragen. 1.Selbst der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl, immerhin ein Abgeordneter Ihrer CDU/CSU Bundestagsfraktion, hält es für wenig überzeugend, mit Zahlen angeblich verhinderter Anschläge zu hantieren. "Dummes Zeug, sei das". Bitte benennen Sie durch Datenweitergabe an die USA verhinderte Anschläge in Deutschland. Mir sind keine durch ein Gericht verurteilte Täter bekannt. 2.Halten Sie die FISA-Geheimgerichte, incl. Ausschluss der Öffentlichkeit, für demokratisch? 3.Wie Sie sicher wissen, hält die Europäische Union das Datenschutzniveau in den USA für nicht ausreichend. Firmen, wie z.B. Facebook, dürfen Daten von EU Bürgern nur in den USA verarbeiten wenn Sie sich einer „Safe-Harbor“ Zertifizierung unterziehen. D.h. diese Unternehmen versprechen ein bestimmtes Datenschutzniveau einzuhalten. Untergräbt das massenhafte Ausspähen von Daten durch die NSA nicht diese ganze Zertifizierung? Und was wollen Sie dagegen persönlich tun?
Sehr geehrter Herr Schneider,
vielen Dank für Ihre erneute Frage. Gestatten Sie mir eine Vormerkung. Ich habe in einer anderen Antwort, die Sie unter http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_thomas_feist-575-37554--f357256.html#q357256 , finden bereits ausführlich dargelegt, warum ich mich an abgeordnetenwatch.de erst jetzt beteilige. Ich hätte Ihre Frage auch schon früher beantwortet, wenn Sie auf mein Angebot eines anderen Kommunikationsweges zurückgegriffen hätten.
Nun zu Ihren aktuellen Fragen:
Der zuständige Kanzleramtsminister Pofalla teilte nach der letzen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums mit, dass auf Grund der Daten des Bundesnachrichtendienstes (BND) drei bis vier Anschläge pro Woche in Afghanistan verhindert werden. Seit Januar 2011 konnte der BND durch die eigene Analyse seiner Daten 19 Anschläge gegen deutsche Soldatinnen und Soldaten vereiteln. Wenn es um geheimdienstliche Tätigkeit geht, wird eine hundertprozentige öffentliche Transparenz allerdings nicht zu schaffen sein. Sie wäre sogar schädlich, weil sich Kriminelle und Extremisten dann noch viel besser genau auf die Arbeitstechniken der Dienste einstellen könnten und somit viel leichter Umgehungsmöglichkeiten fänden. Unabdingbar ist, dass sich unsere deutschen Dienste an Recht und Gesetz halten und sie der umfassenden parlamentarischen Kontrolle unterliegen.
Ein Kommentar oder eine Beurteilung des von Ihnen angesprochenen “Fisa-Court“ der Amerikaner steht mir nicht zu. Als demokratischer Staat haben sie sich dieses System selbst gegeben, allerdings wird es, wenn man den Zeitungsberichten glauben darf, ja nun auch in der amerikanischen Öffentlichkeit heftig kritisiert.
In Deutschland stellt sich die Situation völlig anders da. Die deutschen Nachrichtendienste unterliegen der Kontrolle des Deutschen Bundestages und seiner Gremien, insbesondere der des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der G10-Kommission und des Vertrauensgremiums des Haushaltsausschusses. Außerdem gibt es selbstverständlich die Kontrolle durch die Gerichte, den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie den Bundesrechnungshof.
Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ist seit 2009 verfassungsrechtlich im Grundgesetz verankert und kontrolliert die Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes. Die Bundesregierung ist verpflichtet, das PKGr umfassend über die allgemeine Tätigkeit der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Auf Verlangen des Gremiums hat sie auch über sonstige Vorgänge zu berichten. Das Gremium kann unter anderem Akten und Dateien der Nachrichtendienste einsehen, Befragungen von Angehörigen der Nachrichtendienste durchführen und hat Zutritt zu allen Dienststellen der Nachrichtendienste. In Einzelfällen kann es mit der Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder einen Sachverständigen beauftragen, zur Wahrnehmung seiner Kontrollaufgaben Untersuchungen durchzuführen.
Über seine Kontrolltätigkeit erstattet das Gremium dem Bundestag zur Mitte und am Ende der Wahlperiode Bericht. Besondere Befugnisse hat das PKGr bei der Kontrolle von Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses durch die Nachrichtendienste. Es bestellt die Mitglieder der sogenannten G 10-Kommission, die jeder einzelnen Beschränkungsmaßnahme zustimmen muss. Bei bestimmten Überwachungsmaßnahmen ist sogar die Zustimmung des PKGr selbst erforderlich.
Ich habe es auf diesem Portal schon mehrfach geschrieben, wiederhole mich im Folgenden aber gerne: Der „gläserne Bürger“ ist mit meinem Verfassungsverständnis in diesem Lande nicht zu vereinbaren.
Der Staat hat allerdings nicht nur die Pflicht, die Freiheiten und Grundrechte seiner Bürger zu achten, er hat auch die Pflicht, seine Bürger zu schützen. Die Freiheitsrechte unserer Verfassung richten sich nämlich nicht nur gegen den Staat, sondern sie verlangen zugleich auch seinen aktiven Schutz gegenüber Straftäter, Terroristen und anderen Gefahren. Nur wenn es ein ausreichendes Maß an Sicherheit in einer Gesellschaft gibt, können die Bürgerinnen und Bürger ihre Freiheiten auch tatsächlich nutzen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir sowohl der Freiheit als auch der Sicherheit nur gerecht werden können, wenn wir uns am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientieren. Das heißt ganz konkret: Wenn es um die Suche nach einem Mörder, Entführer oder Terrorverdächtigen geht, kann ein Richter in Deutschland oder die dafür beim Bundestag eingerichtete G-10-Kommission die Überwachung der Kommunikation anordnen. Dies ist in solchen Fällen notwendig und völlig angemessen und wird unserem rechtsstaatlichen System gerecht. Bei weniger gravierenden Gefahren oder Straftaten wie zum Beispiel einem Ladendiebstahl sind nach meinem Verständnis andere Maßnahmen ausreichend.
Der Zweck heiligt nicht alle Mittel, sondern Zweck und Mittel müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Ich bin daher nicht dafür, zum Zweck der Sicherheit alles gesetzlich zuzulassen, was technisch möglich ist. CDU und CSU wollen unseren Sicherheitsbehörden daher auch künftig nur einen gezielten Zugriff auf Daten unter strengen rechtsstaatlichen Maßgaben erlauben. Eine ziellose und allumfassende Sammelwut lehnen wir jedoch strikt ab. Zu dieser Position stehe ich ausdrücklich.
CDU und CSU haben in dem Regierungsprogramm folgendes festgehalten:
„Wir wollen hin zu einer verantwortungsbewussten Datenpolitik. Sie soll die Menschen weiterhin in ihrer Privatsphäre schützen. Sie soll zugleich die verantwortungsbewusste Nutzung von Daten für die Umsetzung neuer innovativer Projekte ermöglichen. […] Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass die Überarbeitung des Europäischen Datenschutzrechts diese aktuelle Entwicklung berücksichtigt. Wir wollen Deutschland zu einem attraktiven Datenstandort entwickeln, an dem gezielt die Nutzung von Daten gefördert wird und der gleichzeitig die Interessen der Nutzer am Schutz ihrer Daten sicherstellt. Die von uns gegründete Stiftung Datenschutz soll dabei einen wichtigen Beitrag zur Information der Bürger über den Umgang mit Daten leisten.“
CDU und CSU wollen darüber hinaus, dass für die Nutzung von persönlichen Daten der Grundsatz der ausdrücklichen Einwilligung gelten muss. Unser Ziel ist es, das Recht auf Löschen der eigenen Daten, verbraucherfreundlich gewählte Voreinstellungen zur Privatsphäre vor allem in sozialen Netzwerken und die Berücksichtigung des Datenschutzes in der Entwicklung neuer Techniken und Produkte durchzusetzen.
Auf europäischer Ebene hat die unionsgeführte Bundesregierung bereits eine Grundrechte-Charta zum Datenschutz angeregt. Ebenso treibt Deutschland die Arbeiten an der Datenschutz-Grundverordnung entschieden voran. Wir wollen, dass in die Verordnung eine Auskunftspflicht der Firmen für den Fall aufgenommen wird, dass Daten an Drittstaaten weitergegeben werden. Die Bundesregierung hat dazu einen Vorschlag für eine Regelung zur Datenweitergabe in Form einer Melde- und Genehmigungspflicht von Unternehmen, die Daten an Behörden in Drittstaaten übermitteln, in Brüssel vorgelegt.
Angesichts der laufenden Debatte über die Methoden der NSA ist es für mich abschließend ein zentraler Punkt, dass in Deutschland deutsches Recht gilt und es von jedermann - gleich ob Bürger unseres Landes oder etwa Mitarbeiter befreundeter Staaten - eingehalten wird. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass der Datenschutz auch in dem zwischen der EU und den USA noch auszuhandelnden Freihandelsabkommen eine Rolle spielen wird und digitale Bürgerrechte darin verankert werden. Im Übrigen: SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann kam nach der Offenlegung der Fakten im PKGr zu dem Schluss, dass nach seinem Kenntnisstand „keine Daten von deutschen Staatsbürgern“ durch die NSA ausgekundschaftet wurden. Leider fand dies kaum Widerhall in der Tagespresse oder sonstigen Medien.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Feist