Weshalb betreibt Ihre Partei eine Strategie der Verknappung von Energie?
Sehr geehrte Frau Walker,
ohne das Ziel eines mittelfristigen Ausstiegs aus der Kernenergie und eines langfristigen Ausstiegs aus der Kohleverstromung aufgeben zu müssen, wäre es in der jetzigen Situation dringend erforderlich, soviel Stromerzeugungskapazität aus Kernenergie und Kohle wie möglich ans Netz zu bringen bzw. zu lassen, um die Strompreise zu senken und auch um Gas bei der Stromerzeugung einzusparen, weil es anderweitig dringender benötigt wird. Es entsteht zunehmend der Eindruck, dass Ihre Partei eine Strategie der Verknappung von Energie betreibt. Ist das zutreffend? Ist Ihnen bekannt, dass eine Verknappung zu immer höheren Preisen führt? Nehmen Sie in Kauf, dass Großunternehmen unter diesen Umständen ihre Produktion ins Ausland verlagern könnten und mittelständische Unternehmen nicht mehr wettbewerbsfähig sind und möglicherweise schließen müssen. Möchte sich Ihre Partei für die Menschen in diesem Land einsetzen?
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Eine „Strategie der Verknappung“ wird selbstredend nicht verfolgt. Im Gegenteil: Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung unter Beteiligung von Bündnis 90/Die Grünen ergreifen vielfältige Maßnahmen zur Mobilisierung von Stromerzeugungskapazitäten.
Für die Sicherung der Energieversorgung hat die Bundesregierung vielfältige Maßnahmen ergriffen, wie beispielsweise die Reform des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) oder die des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Damit wird kurzfristig die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gesteigert. Die Reform ermöglicht die zusätzliche Einspeisung von Windenergie und Photovoltaik, Begrenzungen werden gestrichen und zusätzliche Anreize für die Stromproduktion aus Biogas gegeben.
Um die regenerativen Energien noch schneller auszubauen, hat die Landesregierung Baden-Württembergs mit einem Sofortprogramm für Klimaschutz und Energiewende bereits einen wichtigen Schritt getan: Unter anderem mit einer Solarpflicht für alle neuen Gebäude und einem Flächenziel für Windkraft- und Freiflächenphotovoltaikanlagen in Höhe von zwei Prozent der Landesfläche. In der Folge hat das Land auch eine Task Force zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien eingerichtet. Sie arbeitet daran, die Planungs- und Genehmigungsverfahren insbesondere bei Windkraftanlagen massiv zu beschleunigen und die notwendigen Flächen und Standorte verfügbar zu machen.
Neben der Nutzung von Kohlekraftwerken, die in der gegenwärtigen Situation befristet aus der Netzreserve geholt wurden, wird aktuell die Überführung der beiden Atomkraftwerke Neckarwestheim II und Isar 2 in eine Einsatzreserve vorbereitet. Falls notwendig, werden die beiden AKW noch bis März bzw. April 2023 in Betrieb sein. Ob der Betrieb der Anlagen notwendig ist, wird entlang der Grunddaten und Parameter des „Netzstresstests“ entschieden. Mit den vorgelegten Eckpunkten des Bundeswirtschaftsministeriums und der AKW-Betreiber wird zwei Aspekten Rechnung getragen: Zum einen der Vorsorge für den kommenden Winter, zum anderen der Tatsache, dass Atomenergie eine Hochrisikotechnologie ist und mit Bedacht über deren Einsatz entschieden werden muss.
Aufgrund der angespannten Lage auf dem Gasmarkt sind die Strompreise in den letzten Monaten extrem gestiegen, und das, obwohl die Atomkraftwerke ja derzeit noch laufen. Ein Weiterlaufenlassen der Atomkraftwerke würde den Strompreis allenfalls geringfügig dämpfen. Expertenschätzungen nennen hier den Bereich von rund 1%. Wirkungsvoller sind dagegen eine Strompreisbremse im Grundbedarf und die Abschöpfung von Zufallsgewinnen.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat zudem mit dem Betreiber RWE und dem Land NRW vereinbart, dass zwei Braunkohlekraftwerksblöcke vorerst bis Ende März 2024 weiterlaufen. Ziel ist die Einsparung von Gas in der Stromproduktion. Teil der Vereinbarung ist, dass RWE den Kohleausstieg auf 2030 vorzieht; für den Klimaschutz ist das ein sehr wichtiger Schritt.
Die einfachste Form, damit wir mehr Energie haben, ist momentan: Energie einzusparen. Hier sind alle aufgerufen: Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch das Land.
Mit freundlichen Grüßen
Thekla Walker MdL