Frage an Thekla Walker von Nico M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wieso werden cannabis Konsumenten immernoch verfolgt? Und weshalb kommen wir in der cannabis Politik so gut wie Kaum weiter?
Sehr geehrter Herr Müller,
Wir Grüne stehen dafür, dass Drogen nicht verharmlost, aber auch nicht ideologisch verteufelt werden. Wir machen uns dafür stark, diese Debatte unaufgeregt und sachlich zu führen.
Die wesentliche Gesetzgebungskompetenz für eine Legalisierung liegt beim Bund. Wir treten auf Bundesebene dafür ein, die Möglichkeit einer legalen und kontrollierten Abgabe von Cannabis auch in Deutschland zu schaffen. Wir wollen den illegalen Drogenmarkt für Cannabis eindämmen und Cannabiskonsument*innen entkriminalisieren. Die legale und kontrollierte Abgabe von Cannabis eröffnet die Möglichkeit, den Jugendschutz effektiv durchzusetzen und sorgt dafür, dass Gesundheitsschutz und Prävention greifen können. Der Dealer verlangt keinen Nachweis für die Volljährigkeit.
Die Wirkstoffkonzentration des THC in verkauften Cannabisprodukten hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen und ist für die Konsumenten beim Kauf nicht bekannt. Damit kann es zu Überdosierungen und unerwünschten Nebenwirkungen kommen. Gerade deshalb muss der Verkauf so reguliert werden, dass sowohl die Produkte und deren Inhaltsstoffe überprüft und ausgezeichnet werden, als auch erst an Volljährige Cannabisprodukte verkauft werden dürfen.
Ein entsprechender Gesetzesentwurf für die Legalisierung wurde 2015 von der Grünen Bundestagsfraktion eingereicht, welcher jedoch mit der Mehrheit von Union und SPD abgelehnt wurde.
2017 hat die Grüne Bundestagsfraktion das Gesetz „Cannabis als Medizin“ (Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften) unterstützt. Damit dürfen Ärzte Patienten, bei denen andere therapeutische Möglichkeiten ausgeschöpft sind Cannabisblüten und Cannabisextrakt zu medizinischen Zwecken auf Betäubungsmittelrezept verordnen.
In Baden-Württemberg konnten wir uns bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD im Jahr 2011 und mit der CDU 2016 leider nicht auf eine gemeinsame Linie beim Thema Cannabis verständigen, weshalb die beiden Koalitionsverträge hierzu auch keine Aussagen enthielten.
Wir können verstehen, dass es frustrierend ist, immer nur zu hören, die Grünen Forderungen in der Drogenpolitik seien an den anderen Parteien und den Koalitionspartnern gescheitert. Und natürlich ist es demotivierend, wenn das Gefühl entsteht, seit Jahren gegen Windmühlen zu kämpfen – das geht uns genauso. Doch wir haben auch gelernt, dass es sich lohnt, einen langen Atem zu haben und Widerstände oder Sorgen mit guten Argumenten zu entgegnen.
So haben wir haben wir uns Ende April in den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl 2021 mit der CDU darauf geeinigt, dass künftig der Besitz von bis zu zehn Gramm Cannabis als Eigenbedarf gewertet werden soll und dann nicht strafrechtlich verfolgt werden muss. Siehe Seite 103 (rechte Seite, dritter Absatz) im Koalitionsvertrag: https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/dateien/PDF/210506_Koalitionsvertrag_2021-2026.pdf
Diese Anhebung der Cannabis-Obergrenze ist ein wichtiges Zeichen für eine faktenbasierte Drogenpolitik, die Vernunft und Verantwortung vor Ideologie stellt. Die Bundesregierung hätte es in der Hand, eine kontrollierte Cannabisabgabe zu schaffen, bei der Jugendschutz, Gesundheitsschutz und Prävention effektiv greifen. Da sie sich dem aber immer noch verweigert, nutzen wir unseren Spielraum auf Landesebene bei der Obergrenze für den Eigenbesitz von Cannabis, um wenigstens damit einen pragmatischeren Ansatz umzusetzen, der die Strafvollzugsbehörden für sinnvollere Angelegenheiten entlastet. Wir haben dafür die Unterstützung der Suchtverbände, wofür wir dankbar sind.
Wir möchten Sie dazu ermuntern sich weiterhin – und mit uns zusammen – für eine progressive Drogenpolitik einzusetzen. Wir wissen aus der Geschichte der Grünen Partei, dass es sich vielfach lohnt: Viele gesellschaftliche Veränderungen waren anfangs kaum denkbar. Politik ist nun mal das Bohren dicker Bretter und auch das Überwinden massiver Widerstände, die nicht bei einer grünen Regierungsbeteiligung aus der Welt sind. Gerade bei dem noch sehr emotional aufgeladenen Thema Drogenpolitik sind wir auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft angewiesen, um politisch in Land und Bund gestalten zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Thekla Walker