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Thea Dückert
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Frage von Felix M. •

Frage an Thea Dückert von Felix M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Dr. Dückert,

vielen Dank für die prompte Antwort. ich will mich nicht auf Biertischniveau heruntergeben, aber ich kenne viele Jugendliche, die noch nie gearbeitet haben und mit Hartz IV ganz gut leben können, auch kenne ich zwei Männer, die schon über dreißig Jahre Arbeitslosenhilfe bzw. Hartz IV beziehen. Also Sie bringen ein Beispiel und ich dann ein anderes.

Sie sprechen von Mindestlöhnen, wo sollen diese Menschen das Geld dann hernehmen, um privat vorsorgen zu können? Die Produkte, die Sie bzw. die Bundesregierung bisher für die Altersvorsorge aufgelegt haben, sind doch nur für Großfamilien geeignet, in der Ansparphase gibt es zwar Steuervergünstigungen, aber bei Auszahlung der Vorsorge im Rentenalter, wo die Bezüge in der Regel niedriger sind, müssen diese versteuert werden. Auch sind sie viel zu unflexibel.

Ich bin Jahrgang 1950 und als damals "Riester" oder "Rürup" hochkamen, habe ich mich bei verschiedenen Banken und Versicherungen über die Produkte erkundigt, keine hat mir zugeraten, sondern mir vorgeschlagen eine ganz normale Privatrente bzw. Lebensversicherung abzuschließen.

Ich habe den Eindruck, dass die Politik oberflächlich denkt und nur auf Effekthascherei aus ist und die Folgewirkungen überhaupt nicht berücksichtigt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Felix Müller

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Müller,

die Rentenversicherung wurde in den vergangenen Jahren mit so vielfältigen Maßnahmen an den demografischen Wandel angepasst, wie kein anderer Zweig der sozialen Sicherung. Hierdurch haben wir erreicht, dass die Rentenversicherung stabilisiert wurde, dass die heutigen und die künftigen BeitragszahlerInnen deutlich entlastet werden und der Beitragssatz nicht unverhältnismäßig ansteigt.

Die Riesterrente ist ein Teil der Lösungen gegen Altersarmut, wenn sie zusammen mit unseren anderen Maßnahmen gesehen wird. Es ist richtig, dass es Menschen gibt, die so wenig verdienen, dass sie im Alter auf die Grundsicherung angewiesen sein werden. Und bei diesen Menschen würden dann auch die Leistungen aus der privaten Altersvorsorge auf die Grundsicherung angerechnet. Aber damit das nicht mehr passiert, damit die Menschen auch bei geringem Verdienst, bei unsteten Erwerbsverläufen und längeren Phasen von Arbeitslosigkeit eine Rente über Grundsicherungsniveau erhalten, wollen wir ihre Rentenansprüche hochwerten. Dann lohnt sich auch die zusätzliche private Vorsorge, die ja auch zusätzlich noch gefördert wird, gerade für Geringverdiener. Und dieses Angebot wird angenommen. Es sind, laut Bericht der Zentralen Zulagenstelle für die Riesterförderung, sogar mindestens zwei Drittel der Riesterverträge von Menschen abgeschlossen worden, deren Einkommen unterhalb des Durchschnittverdienstes liegt. 27% aller Verträge sind sogar von Menschen mit einem Jahreseinkommen unter 10.000 EUR abgeschlossen worden. Und der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe steigt sogar.

Die Kehrseite der Anpassung des Rentensystems an den demografischen Wandel ist eine langfristig angelegte Senkung des Leistungsniveaus in der GRV. Es war und ist richtig, das Niveau in der Rentenversicherung zu senken. Es wäre nicht richtig gewesen, auch hohe und höchste Renten ungebremst steigen zu lassen und die finanziellen Folgen kommenden Generationen aufzubürden.

In Verbindung mit den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt steigt nun aber das Risiko der Altersarmut für bestimmte Gruppen.

Hohe Langzeitarbeitslosigkeit, Erwerbsunterbrechungen und vermehrte Teilzeittätigkeit verhindern oft den Aufbau hinreichender Rentenanwartschaften. Auch wegen des Trends zur Selbstständigkeit erreicht die Rentenversicherung immer weniger Erwerbstätige. Besonders brisant: Trotz langjähriger Vollzeitbeschäftigung erreichen in Zukunft immer mehr Geringverdienende keine armutsfesten Renten. Die Probleme am Arbeitsmarkt von heute werden die Probleme in der Rentenversicherung von morgen sein -- wenn wir nicht entschlossen handeln.

Altersarmut muss an der Wurzel bekämpft werden: durch Teilhabe am Arbeitsmarkt und Teilhabe an Bildung. Eine gute Arbeitsmarktpolitik, Bildung für alle und Weiterbildung, insbesondere auch für ältere ArbeitnehmerInnen, ist die beste Prävention gegen Armut im Alter.

Wesentliches Problem für die Entwicklung der Renten heute und morgen ist zudem die Entwicklung der Löhne in Deutschland. In keinem anderen Land Europas sind die Lohnunterschiede mittlerweile so ausgeprägt wie in Deutschland. Das Gezerre um den Mindestlohn muss endlich ein Ende haben. Mindestlöhne für alle, das ist das grüne Ziel. Aber auch das allein wird nicht reichen.

Bisher hat die Bundesregierung so getan, als ob die bessere Konjunktur alle rentenpolitischen Probleme lösen würde. Das Problem künftig steigender Altersarmut wurde mit Verweis auf den Mindestlohn ignoriert. Das geht an der Sache vorbei. Jemand, der immer für einen Mindestlohn von 7,50 Euro arbeitet, müsste 47 Jahre lang in die Rentenkassen einzahlen, um nicht auf die Grundsicherung verwiesen zu sein. Wir setzen uns deshalb dafür ein, dass der Schutz vor Armut in der GRV verbessert wird. Jemand, der ein Leben lang in die Rentenversicherung eingezahlt hat, darf im Alter nicht auf die Grundsicherung angewiesen sein.

Entgegen weit verbreiteten Befürchtungen ist die Riester-Rente auch in unteren Einkommen weit verbreitet. 60% aller Verträge wurden von Versicherten abgeschlossen, die mit ihrem Einkommen unterhalb des Durchschnitts liegen. Entgegen weit verbreiteten und gerade sehr aktuellen Befürchtungen ist die Riester-Rente durch Anlagevorschriften auch gegen Risiken am Kapitalmarkt stärker gefeit als andere Altersvorsorgeprodukte.

Kosten für private Altersvorsorge-Verträge entstehen auch bei ungeförderten Verträgen. Es geht an der Sache vorbei die staatliche Förderung als eine Förderung der Banken bzw. Versicherungen zu betrachten. Riester-Verträge sind im Vergleich zu anderen Verträgen für die Sparer deutlich günstiger. Das gilt besonders für Menschen mit kleinen Einkommen bzw. Kindern.

Das Angebot an Riester-Renten ist aber nicht transparent genug, die Beratung muss verbessert und der Verbraucherschutz gestärkt werden. So wollen wir die Anbieter zu einer transparenten Darstellung ihrer Produkte verpflichten. Kosten etwa, die der Anbieter dem Kunden gegenüber nicht hinreichend offen gelegt hat, sollen von Kunden nicht bezahlt werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen

Thea Dückert