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Terry Reintke
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Frage von Jahn F. •

Frage an Terry Reintke von Jahn F.

Sehr geehrter Frau Reintke,

Man hört immer wieder, dass sich die Niedrigsteuerländer (wie zum Beispiel Irland) sich mit immer niedrigeren Steuersätzen oder Steuerdeals für große Konzerne unterbieten. In einer vor kurzem veröffentlichten Studie Ihrer Fraktion wurde ja ermittelt, dass Konzerne in fast allen EU-Staaten weniger zahlen als sie sollten. In dieser Frage möchte ich nun wissen:

1. Wie sehen Sie und Ihre Fraktion den vorherrschenden Steuerwettbewerb (insbesondere für die Unternehmen) in der EU?
2. Würden Sie am jetzigen System etwas verbessern wollen? Und wenn Ja, was?
3. Was würde aus Ihrer Sicht für oder gegen eine Steuerharmonisierung sprechen?

Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
J. F.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr F.,

Einige Mitgliedstaaten haben es zu ihrem Geschäftsmodell gemacht, sich gegenüber dem Rest der EU durch niedrige Steuersätze oder großzügige Ausnahmen attraktiv für Unternehmen zu machen. Die Einzigen, die davon langfristig profitieren, sind internationale Unternehmen, die damit ihre Renditen steigern. Die Steuervermeidung untergräbt das Fundament unserer Wohlfahrtsstaatsmodelle in Europa. Denn die Praxis treibt indirekt Menschen in die Armut und Staaten dazu, dass sie nicht in das Wohl ihrer Bürger*innen investieren können. Die Steuerbelastung verschiebt sich damit immer mehr zu denen, die sich ihr nicht entziehen können: kleinen Unternehmen, Arbeitnehmer*innen und Konsument*innen. Wir wollen dieses Geschäftsmodell beenden.

Wir wollen beherzt gegen Steuerdumping vorgehen. Große Unternehmen sollen genauso wie kleine Handwerksbetriebe ihre Steuern da zahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften. Für eine einheitliche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt fordern wir eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage. Um den schädlichen Unterbietungswettlauf der EU-Mitgliedstaaten zu stoppen, brauchen wir zudem einen europäischen Mindeststeuersatz für alle Unternehmensgewinne. Längst überfällig ist, dass alle Großunternehmen öffentlich machen müssen, in welchem Land sie ihre Umsätze machen, wo ihre Gewinne anfallen und wie viel Steuern sie darauf zahlen. Dann fällt sofort auf, wenn ein Konzern seine Umsätze in Deutschland erzielt, aber seine Gewinne in einen Steuersumpf verschiebt, um darauf möglichst wenig Steuern zu zahlen.

Wer europaweit verkaufen darf, muss auch europaweit gleichwertig besteuert werden. Deshalb ist eine einheitliche Unternehmensbesteuerung die logische Fortsetzung des Binnenmarktes. Eine gemeinsame konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Besteuerung von Unternehmen wäre ein erster Schritt hin zu einer starken Vereinfachung für die Firmen im Binnenmarkt. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen führte ein einheitliches Steuerrecht dazu, dass sie leichter auch in anderen Mitgliedstaaten tätig werden könnten. In einem zweiten Schritt sollte zeitnah eine europäische Unternehmenssteuer folgen, deren Einnahmen zum Teil in die nationalen bzw. kommunalen Haushalte der Mitgliedstaaten und zum Teil direkt in den EU-Haushalt fließen würden. Um den schädlichen Steuerwettbewerb in der EU zu unterbinden, sollten die Mitgliedstaaten ihre Steuersätze selbst festlegen dürfen, solange sie über einem bestimmten Mindeststeuersatz liegen.

Mit freundlichen Grüßen
Terry Reintke

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