Warum sind Sie gegen Bürgerentscheide nach dem Vorbild der Schweiz?
Der geplante Bürgerrat in Deutschland wird bei weitem nicht die Rechte und Möglichkeiten für die Bürger und Steuerzahler haben, wie die Bürgerentscheide in der Schweiz. Bei dem geplanten Bürgerrat ist vorgesehen, das die Bürger nur zu bestimmten ausgewählten Themen (wer wählt eigentlich diese Themen aus?) befragt werden. Dabei sollen nicht alle Bürger befragt werden, sondern nur eine begrenzte Anzahl der Bürger, durch Los bestimmt, ohne Einfluß auf die letztendliche Entscheidung zu haben.
In der Schweiz haben die Bürger das Recht, einen Bürgerentscheid zu allen Themen herbeizuführen, egal ob auf Gemeinde-, Kantons- oder Bundesebene. Und die Hürden sind gar nicht so hoch dafür.
Das Ergebnis dieser Bürgerentscheide ist dann verbindlich für die Regierenden! Dort können die Regierenden nicht gegen die Mehrheit der Bürger entscheiden!
Warum sind Sie gegen eine Demokratie von unten nach oben, wie es in der Schweiz mit den Bürgerentscheiden möglich ist?
Eine stärkere direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungen ist aus meiner Sicht
durchaus wünschenswert. Daher begrüße ich die Absenkung für Hürden bei Bürgerbegehren, wie es
sie vielerorts im kommunalen Bereich und auf Ebene der Bundesländer wie Rheinland-Pfalz bereits
gegeben hat.
Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben sich allerdings aus wohlerwogenen Gründen für
unsere Form der repräsentativen parlamentarischen Demokratie entscheiden, die sich nach meinem
Dafürhalten seit 1949 hervorragend bewährt hat.
Derzeit befindet sich das von der Bundesregierung eingebrachte Demokratiefördergesetz in der
parlamentarischen Beratung. Ein Schwerpunkt ist die Stärkung bürgerschaftlichen Engagements.
Auch hier ist mehr direkte Teilhabe unser Ziel.
Der von der Bundestagspräsidentin ins Leben gerufene Bürgerrat ist ein für mich wichtiges weiteres
Mosaikstück auf diesem Weg.
Ich halte es allerdings grundsätzlich für problematisch, komplexe politische Zusammenhänge auf
einfache Ja-oder-nein-Entscheidungen zu reduzieren. Dies wird in den allermeisten Fällen nicht
wirklich funktionieren. Die intensive Beratung im Parlament und seinen Fachgremien wird dem aus
meiner Sicht immer noch eher gerecht.