Sind Sie dafür, das Volksentscheid-Zustimmungsquorum von 25 auf 10% zu senken/zu streichen und freie Unterschriftensammlung einzuführen? Wie stehen Sie zu Bürgerräten? Mehr Demokratie e.V. Hessen
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag hatte bereits in der 18. Wahlperiode eigene Vorschläge in den Hessischen Landtag eingebracht, wie Volksbegehren und Volksentscheid reformiert werden sollten. Bei unseren Änderungsvorschlägen zu dem Gesetzentwurf mit dem schönen Titel „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheide“ sind wir dabei deutlich über die von den damaligen Regierungsfraktionen vorgesehenen Quoren hinausgegangen. Auch waren unsere seinerzeitigen Vorschläge weitgehender, als der „Verfassungskompromiss“ aus der 19. Wahlperiode, der – wie der Name sagt – eben ein parteiübergreifender Kompromiss war.
Aber im Einzelnen: Analog der Vorschläge aus der 18. WP halte ich ein Absenken des Zustimmungsquorums auf 15% für sinnvoll. Zum einen würde das Verfahren, gemessen an der derzeitigen rechtlichen Situation, vereinfacht und niedrigschwelliger. Zum anderen wäre die Höhe des Quorums noch immer eine ausreichende Hürde dafür, dass gesetzgeberische Entscheidungen von kleinen, populistisch agierenden Gruppen durchgesetzt werden könnten – ein Aspekt, der gerade in Zeiten erstarkender rechtsextremistischer Organisationen mit simplen Parolen und unterkomplexen Lösungsvorschlägen, befeuert von Ressentiments und Menschenfeindlichkeit, nicht außeracht gelassen werden sollte.
Bei der Frage der Unterschriftensammlung kann ich mich kurzfassen: Ich bin für das freie Sammeln. Es ist kaum erklärbar, dass Hessen hier noch immer im Ländervergleich mit über die striktesten Regeln verfügt.
Was den von Ihnen angesprochenen Punkt der Bürgerräte anbelangt: Ich finde, dass anlassbezogene Bürgerräte erprobt werden sollten. Aber dann bitte wirkliche losgewählte Bürgerräte und keine „PR-Veranstaltungen“, auf die man jüngst häufiger trifft, und die meiner Meinung nach oft eine Augenwischerei darstellen und kontraproduktiv sind.
Es wird zu evaluieren sein, ob sich durch Loswahl genügend Bürger für Bürgerräte finden lassen. Bei Wahlhelfern oder im Schöffenwesen etwa ging die Bereitschaft zum Engagement zuletzt deutlich zurück. Auch kann es letztlich nicht im Sinne einer breiten Bürgerbeteiligung sein, wenn sich (z.B., weil eigentlich geloste Bürger ihre Wahl nicht antreten) am Ende vor allem die immer gleichen, ohnehin durchsetzungsstarken Einzelpersonen und Gruppen einbringen. Eine wissenschaftliche Begleitung durch die Hochschulen des Landes, die sich genau diesen Fragen widmet, halte ich dabei für gewninnbringend und aufschlussreich.
Mit freundlichen Grüßen
Tanja Hartdegen