Sie behaupten, dass die SPD die Besteuerung von Einkommen gerechter gestalten wird. Warum hat die SPD eine solch gerechtere Besteuerung nicht längst auf den Weg gebracht?

Sehr geehrter Herr Schüller,

vielen Dank für Ihre Frage. 

Ihre Frage ist zudem absolut berechtigt und ich kann nachvollziehen, dass Sie kritisch nachfragen. 

Wie Sie sicherlich auch wissen, hat die SPD nur in der Zeit 1998-2005 die Regierung geführt. Wir haben nach der Kohl-Ära eine Regierung übernommen, die vorher die strukturellen Defizite nicht angepackt hat. Sieben Jahre Kanzlerschaft Schröder führten dann zu den umfangreichen Maßnahmen der AGENDA 2010, bei dem leider die Wirtschaft sehr viel abgeräumt hatte. Ich muss aber auch fairerweise in diesen Zusammenhang sagen, dass ich die Maßnahmen zu diesem Zeitpunkt für richtig angesehen haben. Der Fehler meiner Partei war es, einige Maßnahmen umzugestalten, weil diese im wirtschaftlichen Aufschwung einfach nicht mehr nötig waren. Im Übrigen möchte ich Ihnen auch erzählen, dass auch ich persönlich ziemlich unter der AGENDA 2010 meine Erfahrungen machen durfte. Mein Vater hatte in der Rezession Anfang der 2000er Jahre seinen Job verloren und bekam lediglich als Hilfskraft im Lager, im Niedriglohnsektor eine neue Aufgabe (Nettoeinkommen bei 1200-1500 Euro). Der Grundtenor Anfang der 2000er Jahre war meiner Meinung nach die Neoliberalisierungswelle. Der Trend war dem Markt zu vertrauen, erst recht im Zeitalter der Globalisierung. Wir sehen bis heute, dass dies nicht unbedingt der einzige und wahre Weg war. 

Nach der Abwahl von Rot-Grün folgte die Große Koalition mit der Union und vor allem mit der sich anbahnende Staaten- und Finanzkrise. Zwar gab es eine Konsens mit der Union, dass die Krise durch die Stärkung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage erfolgen kann aber die Konzepte gingen weit auseinander. Mit Beginn der Schwarz-Gelben Regierungskonstellation von 2009-2013 wurde das Thema gar nicht mehr angepackt. 

Anschließend konnten wir 2013-2017 wieder die Regierungsarbeit mitgestalten. Finanzminister zu diesem Zeitpunkt war Wolfang Schäuble. Dringende Fragen wie die Flüchtlingskrise dominierte dann das Regierungshandeln und solche wichtige Themen, wie die Ausgestaltung der Steuerpolitik war leider in den Hintergrund gedrängt worden. 

In der letzten und aktuellen Regierung wurde durch die Corona Krise nochmal klar, wer die Verlierer sind. Dies hat uns weiter gestärkt, um die mittleren Einkommen zu entlasten. 

Auch in diesem Zusammenhang möchte ich nochmals dringend darauf hinweisen, dass steuerpolitische Sprünge in dieser Größenordnung mit der Union einfach nicht zu machen sind.  

Vor allem als jemand, der wirklich aus einem wirtschaftlich prekären Elternhaushalt kommt, ist mir dieses Thema sehr wichtig. Ich will es anpacken und voran bringen. Dies wird aber nur möglich sein, wenn sich Mehrheiten jenseits der Union finden lassen. Dafür braucht es eine von der SPD geführte Bundesregierung. 

Ich hoffe, ich konnte Ihrer Antwort nachkommen. 

Wünsche Ihnen eine gute Zeit und bleiben Sie gesund! 

Ihr Takis Mehmet Ali