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Sylvia Rietenberg
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Frage von Julian D. •

Wie stehen Sie zu dem Thema Sterbehilfe?

Sehr geehrte Frau Rietenberg,

da ich mich noch nicht entschieden habe, wen ich bei der kommenden Bundestagswahl für die Erststimme wählen werde und das Thema Sterbehilfe für mich persönlich von großer Bedeutung ist, möchte ich gerne erfahren, wie Sie zu diesem Thema stehen.

Würden Sie, wie Ihre Vorgängerin Maria Klein-Schmeink, für einen restriktiven Gesetzesentwurf stimmen oder sich wie Svenja Schulze für einen liberaleren Entwurf – oder vielleicht ganz anders?

Zur Information: Frau Klein-Schmeink hatte sich für den restriktiven Entwurf der Gruppe von Castellucci und gegen den liberaleren Vorschlag der Gruppe um Helling-Plahr und Künast ausgesprochen, während Frau Schulze genau umgekehrt votiert hat.

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Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr D.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die Entscheidung für ein selbstbestimmtes Lebensende berührt tiefgehende ethische, medizinische und gesellschaftliche Aspekte, die eine sorgfältige Abwägung und eine verantwortungsvolle Gesetzgebung erfordern.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 hat klargestellt, dass es ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben gibt, das auch den Zugang zu assistiertem Suizid umfasst. Gleichzeitig hat das Gericht betont, dass der Schutz des Lebens und die Verhinderung von Missbrauch eine ebenso große Rolle spielen müssen. Die beiden im Bundestag diskutierten Gesetzesentwürfe haben versucht, diesen Balanceakt zu meistern, fanden aber keine parlamentarische Mehrheit. Dass eine so grundlegende Frage weiterhin ungeklärt bleibt, zeigt den dringenden Handlungsbedarf für eine einvernehmliche gesetzliche Regelung.

Ich bin der Auffassung, dass eine verantwortungsvolle Regelung der Sterbehilfe den Zugang zu assistiertem Suizid für selbstbestimmte Entscheidungen ermöglichen, aber zugleich Schutzmechanismen einführen muss, um Missbrauch zu verhindern. Besonders in einer alternden Gesellschaft, in der viele pflegebedürftige Menschen sich als Belastung empfinden, müssen wir sicherstellen, dass niemand aus sozialer Not oder aus Mangel an Alternativen heraus zum Suizid gedrängt wird. Eine gute Palliativversorgung, umfassende psychosoziale Beratung und eine wirksame Suizidprävention sind essenziell, um echte Wahlfreiheit zu gewährleisten.

Gleichzeitig halte ich es für wichtig, dass gewerbliche Interessen in diesem sensiblen Bereich keine Rolle spielen dürfen. 

Suizidhilfe muss in einem geschützten Rahmen stattfinden, der Menschen in ihrer Selbstbestimmung ernst nimmt, aber auch sicherstellt, dass eine Entscheidung wohlüberlegt und nicht aus einer momentanen Krise heraus getroffen wird.

Da es sich hierbei um eine ethische Gewissensentscheidung handelt, gibt es innerhalb der Grünen keine einheitliche Fraktionslinie. Ich halte es für essenziell, mich vor einer endgültigen Positionierung intensiv mit Fachverbänden, Ärztinnen, Betroffenenvertretungen und meinen zukünftigen Kolleginnen im Bundestag auszutauschen. Ich möchte dabei besonders darauf achten, welche Erfahrungen und Bedarfe aus der Praxis an die Politik herangetragen werden. Eine kluge Gesetzgebung darf weder zu restriktiv noch zu freizügig sein – sie muss sich konsequent an der Würde und Selbstbestimmung der Menschen orientieren, ohne gesellschaftliche Risiken auszublenden.

Ich danke Ihnen sehr für Ihr Interesse und Ihr Vertrauen, mir diese wichtige Frage zu stellen. Sollten Sie weitere Aspekte oder Fragen haben, freue ich mich über den Austausch.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Sylvia Rietenberg