Frage an Sylvia Löhrmann von Theresa S. bezüglich Kultur
Sehr geehrte Frau Löhrmann,
NRW gehört zu einem Staat, der Wert darauf legt, säkular zu sein. Umso größer ist meine Überraschung. Ich zitiere das Onlineportal "DerWesten.de"(07.04.2011):
"Die Stadt [Essen] hat die Premiere der "Madama Butterfly" im Aalto-Theater verboten[...] Die Bezirksregierung hatte auf die Einhaltung des Feiertagsgesetzes gedrängt, nachdem eine Beschwerde eingegangen war."
Dass das "Opernhaus des Jahres 2008" der ehemaligen Kulturhauptstadt einen kulturellen Anspruch über den unterhaltenden Charakter hinaus hat, steht außerfrage. Dem Haus entsteht durch das Verbot ein enormer Schaden.
Im Feiertagsgesetz NRW heißt es:
"(3) Am Karfreitag sind zusätzlich verboten:[...]
die Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister [...] als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind, bis zum nächsten Tag 6 Uhr, Veranstaltungen, Theater- und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge jeglicher Art, auch ernsten Charakters, während der Hauptzeit des Gottesdienstes.[...]"
Mir stellt sich die Frage nach der Trennung von Staat und Religion.
Neben kommunalen Unterschieden(noch keine Verbote in Düsseldorf, Gelsenkirchen und Bochum) entbehrt der Blick in das karfreitägliche Fernsehprogramm nicht einer gewissen Komik: "Indiana Jones", die James-Bond-Folge "Casino Royale" und "Harry Potter IV" sind genau das, was sich der Kultusminister unter "angemessen" vorstellt, um den Christen in seiner Andacht nicht zu gefährden(?).
Es ist mir unbegreiflich, wie durch die Aufführung im geschlossenen Raum der Gottesdienst bzw. der Christ als solcher behindert wird. Niemand ist gezwungen, Zeuge davon zu werden und die Störung religiöser Feiern erscheint mir daher im höchsten Maße hanebüchen, das Verbot eine Unverschämtheit.
Ich muss meine Verwunderung über den Titel "Ruhrgebiet Kulturhauptstadt 2010" ausdrücken, wo hier doch anscheinend die Kultur einen recht geringen Stellenwert genießt.
Frohe Ostern wünscht
Theresa Sichler
Sehr geehrte Frau Sichler,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Anfrage. Gerne nehme ich dazu als Abgeordnete und als Christin Stellung:
Das Feiertagsgesetz NRW wurde mit breiter Mehrheit im Landtag NRW vor vielen Jahren beschlossen und derzeit ist keine politische Mehrheit erkennbar, die dieses Gesetz zu ändern beabsichtigt. Von rund 82 Millionen Menschen in Deutschland sind nach der Statistik, Stand 2008, knapp 52 Millionen Menschen christlichen Glaubens, in NRW werden rund 70 Prozent der Bevölkerung den Christen zugrechnet. - Somit liegt es auf der Hand, dass die wichtigen Feiertage in unserem Land entsprechend geprägt sind. Manche davon sind sogenannte "Stille Feiertage" und stehen eben unter dem besonderen Schutz der Gesetze, die sich die Mehrheit in diesem Land gegeben hat.
Die Bezirksregierungen sind gehalten, die Einhaltung des Feiertagsgesetzes NRW zu überprüfen und bei eingehenden Klagen zu reagieren, die jeweilige Kommune hat dann entsprechend zu handeln, wie in diesem Fall die Stadt Essen. Allerdings darf im Prinzip durchaus auch an Karfreitag Theater gespielt werden - und so geschieht es auch.
Die von Ihnen angesprochene Aufführung von "Madama Butterfly" war eine Premiere und wurde vom Theater auf den Gründonnerstag vorverlegt, so dass es nicht zu materiellen Schäden für das Theater kam.
Die europäische Kulturhauptstadt RUHR.2010 war ein großer Erfolg und diese einzelne, auch aus kulturpolitischer Sicht durchaus bedauerliche Entscheidung stellt gleichwohl die erfolgreiche Gesamtbilanz und die rege Vielfalt der Kulturregion Ruhrgebiet keinesfalls in Frage.
Auf das komplexe Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Deutschland und die auf der Weimarer Reichsverfassung von 1919 fußenden Regelungen kann ich hier nur knapp hinweisen. Die damals in der Weimarer Nationalversammlung beschlossene Regelung, die bis heute die Grundlage unserer Rechtssetzung in Deutschland bildet, griff, wie es unter http://de.wikipedia.org/wiki/Trennung_von_Religion_und_Staat nachzulesen ist, ich zitiere, „nicht auf ein der Verfassung vorgelagertes Verständnis des Laizismus zurück, sondern schuf einen eigenen Regelungskomplex, der auf Religionsfreiheit, weltanschaulicher Neutralität des Staates und Selbstbestimmung aller Religionsgemeinschaften beruht. Die Religionsausübung wurde also nicht zur Privatsache erklärt, sondern blieb öffentliche Angelegenheit, die aber dem Staat entzogen war. Dieses Konzept wurde, zunächst 1926 von Ulrich Stutz, als „hinkende Trennung“[1] bezeichnet, weil die Trennung für Kooperation offen ist, diese unter Umständen gerade erforderlich macht. Rechtliche Grundlage waren Artikel 136 bis 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV). Diese sind durch Art. 140 GG Bestandteil des geltenden Staatskirchen- und Verfassungsrechts.“
Sie sehen, verehrte Frau Sichler, die Materie ist sehr kompliziert und deshalb bitte ich um Verständnis dafür, dass ich nicht weiterreichend darauf eingehen kann. Für Ihre Anfrage danke ich Ihnen nochmals und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Sylvia Löhrmann MdL