Frage an Sylvia Löhrmann von Jürgen M. bezüglich Recht
Sehr geehrte Fr. Löhrmann,
zunächst meinen herzl.Glückwunsch zu Ihrer gelungenen Montalk-Sendung mit Herrn Matthias Bongard im WDR2. Sie hat dazu beigetragen, dass sich mein Eindruck über Ihre Arbeit vertiefen konnte und gar geändert hat.
Habe über das www soeben einige Ihrer Redebeiträge im LT der letzten Monate verfolgt.
Meine Frage geht heute in eine ganz andere Richtung, die in der Sendung nicht zur Sprache kam, da auch nicht Ihr eigentliches Ressort betreffend.
Es geht um Rechtsauffassung, im Speziellen um den ständigen Ankauf neuer CDs mit Steuerdaten von Kriminellen, die diese Daten auf illegalem Wege beschaffen, und wofür der Staat, respektive das Land unverschämt viel Geld bezahlt (was ebenfalls Steuergeld ist). Die ankaufende staatliche Stelle wird somit zum Hehler. Als zunächst eine CD, dann zwei dann drei auftauchten und die Diskussion seinerzeit öffentlich darüber geführt wurde, konnte sich der Bürger zumindest noch geistig einschalten oder Leserbriefe an die Zeitung schreiben. Dass Hr.Min.Schäuble gleich zu Anfang alle Bedenken zerstreute und betonte, ein solcher Ankauf sei unbedenklich, verwundert nicht, denn ihm ist kaum noch etwas heilig. Auch Hr.Min.Linssen hätte sie gerne angekauft, schließlich wurde die CD - es handelte sich um die dritte - dann von einer Steuerfahndungsstelle in Wuppertal angekauft.
Vor ein paar Tagen haben wir erfahren, dass mittlerweile s i e b e n CDs gekauft wurden - Bund und Land also weiter hin hehlen, anstatt ihre eigenen kriminalpolizeilichen oder steuerfahnderischen Mittel und Wege zu nutzen.
Meines Erachten gleitet unser Staat hier zum Unterstützer von Spitzeln, Denunzierern, Datenklauern ab und wird selbst zum Kriminellen. Ich würde gern etwas über Ihre persönliche Einstellung zu diesem Komplex in Erfahrung bringen.
Über eine Stellungnahme zu diesem Komplex würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Mikus, Burscheid
Sehr geehrter Herr Mikus,
haben Sie vielen Dank für Ihre freundlichen Worte zu der Montalk-Sendung im WDR2 sowie für Ihre Glückwünsche und Ihr Interesse an meinen Redebeiträgen.
Gerne übermittle ich Ihnen eine persönliche Antwort zu dem von Ihnen angesprochenen Themenkomplex des Ankaufs der Steuer CDs:
Zunächst finde ich, dass zwischen einem rechtstheoretischen und einem politischen Problem zu unterscheiden ist. Rechtstheoretisch ist es aus meiner Sicht immer schwierig, wenn der Staat sich auf Daten stützt, die er in einer undurchsichtigen Weise bekommen hat. Deshalb gibt es ja beispielsweise auch klar definierte parlamentarische Kontrollmechanismen für die Geheimdienste, deren Datengewinnung zwar nicht illegal, aber eben doch intransparent erfolgt. Auf der anderen Seite muss Politik klar machen, dass nicht toleriert werden kann, wenn einzelne Menschen oder auch Firmen zwar die Vorteile unseres Gemeinwesens nutzen, aber nicht bereit sind, in Form von Steuern ihren Beitrag zur Finanzierung dieses Gemeinwesens zu leisten. Insofern haben wir es hier immer mit einer politischen Abwägung zu tun, welche der genannten Aspekte in einer konkreten Situation schwerer wiegt. Das muss im jeweiligen Fall verantwortungsbewusst im Sinne des Gemeinwesens abgewogen werden.
Wir Grüne nehmen Datenschutzbedenken immer sehr ernst. Und selbstverständlich müssen die Behörden beim Kauf einer solchen CD auch die Grundrechte der Betroffenen berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine „Dreisphären-Theorie“ entwickelt: Danach ist die Intimsphäre am stärksten geschützt, etwas schwächer die Privatsphäre, dann folgt die Geschäftssphäre. Beim staatlichen Eingriff in die bloße Geschäftssphäre wiegt das Strafverfolgungsinteresse am stärksten.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt – und gerade gestern (30.11.2010) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Nutzung von Daten aus sogenannten Steuer-CDs rechtmäßig ist. Es bestätigt also die Auffassung, dass der Ankauf solcher Daten ein legitimes Mittel ist, Steuervergehen zu bekämpfen.
Die vielen Selbstanzeigen und Steuernachzahlungen nach Bekanntwerden des Kaufs sprechen eine eigene Sprache.
Ich pflichte Ihnen sicherlich darin bei, dass es im Wesentlichen darauf ankommt, die Ermittlungsstellen angemessen auszustatten, damit sie ihre Arbeit optimal erledigen können. Dazu beabsichtigt die rot-grüne Koalition zum einen zusätzliche Steuerprüferinnen und –prüfer einzustellen – die Mittel dafür sollen mit dem Haushalt 2011 bereitgestellt werden.
Hinzu kommt der Aspekt der Korruptionsbekämpfung. Die Verluste aus Steuerbetrug und Steuerhinterziehung in NRW sind enorm. Aus diesem Grund hat die bis 2005 amtierende rot-grüne Landesregierung ein Korruptionsbekämpfungsgesetz erlassen, dessen Umsetzung laut Jahresbericht des Landesrechnungshofes von 2009 erhebliche Defizite aufweist. Wesentliche Regelungen wurden nicht umgesetzt. Hier fordern Grüne z.B. eine externe Evaluierung ein, um Schwachstellen ausbessern zu können.
Hinzufügen möchte ich noch, dass ich Ihnen diese Antwort als Abgeordnete gebe – darauf muss ich sie aufgrund der Geschäftsverteilung der Landesregierung hinweisen. Sollten Sie nähere Informationen wünschen, wenden Sie sich bitte an die inhaltlich zuständigen Bundestagsabgeordneten der Grünen, Jerzy Montag und Gerhard Schick, oder auf Landesebene Mehrdad Mostofizadeh MdL und Matthi Bolte MdL.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Löhrmann MdL