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Sylvia Löhrmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Samuel K. •

Frage an Sylvia Löhrmann von Samuel K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Frau Löhrmann,

vielen Dank für Ihre Antwort. Angesichts der Wahlaussage Ihrer Partei möchte ich an Sie die Frage noch einmal persönlich stellen, die von so manchem Staatsrechtler schon des öfteren grundsätzlich formuliert wurde: Wie können Sie eine mögliche Koalition mit einer Partei, die ein schlimme und von Menschenrechtsverletzungen strotzende Diktatur in Deutschland getragen und realisiert hatte und diese ihre eigene Vergangenheit statt aufgearbeitet bislang nur größten Teils verklärt hat, mit der Geschichte Ihrer eigenen Partei zusammenbringen, deren einer "Lungenflügel" als Bündnis ´90 aus der Bürgerrechtsbewegung stammt, die gegen diese Diktatur und deren Einheitspartei die friedliche Revolution hervorgebracht hatte? Eine Koalition mit "Die Linke" verbietet sich m.E. angesichts der unermesslichen Schuld, die diese Partei mit übernommen hat mit ihren sozialistischen, kommunistischen und neostalinistischen Untergruppierungen sowie mit der Integration der SED und deren Politfunktionären in die heutige Partei als auch aus Respekt gegenüber den Opfern des Staatsterrorismus der SED generell, ebenso wie die Koalition mit jeder rechtsradikalen Partei, insbesondere jedoch für die Grünen aufgrund deren eigenen Geschichte im Widerstand gegen die SED-Diktatur. Glauben Sie ernsthaft, bei solcher Geschichtsvergessenheit und falsch verstandenen Toleranz gegenüber den Tätern glaubwürdig als Programmpartei auftreten zu können? Wie wollen Sie den Wählern erklären, dass sie als Partei zu ihrem Programm stehen, wenn sie alle Moral und Prinzipien dem bloßen Offenhalten von Machtoptionen zu opfern bereit sind? Und glauben Sie wirklich, dass Programmpolitik und Pragmatismus im Konkreten und Einzelnen des politischen Alltags möglich sein könnten ohne Einbettung in einen geistigen Überbau mit politischem, moralischem und gesellschaftlichem Gesamtkonzept, mit ideellen und integren Überzeugungen auf einer grundsätzlichereren Ebene? Ich habe die DDR noch miterlebt!

MfG
Karbe

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karbe,

vielen Dank für Ihre neuerliche Nachfrage. Und es ist doch nicht so, als teilte ich Ihre Vorbehalte gegenüber der geschichtlichen Belastung der Linkspartei nicht. Im Gegenteil: ich kann diese sehr gut nachvollziehen!

In den westlichen Ländern von Deutschland haben wir es allerdings weniger mit ehemaligen SED- oder Stasi-Leuten zu tun, sondern zum Teil mit verqueren linksromantischen Aktivisten, aber auch mit vielen Gewerkschaftern, enttäuschten Sozialdemokratinnen und -demokraten, vereinzelt auch ehemaligen Grünen. Die Linke hat sich ein absurdes Wahlprogramm gegeben und ist mit vollmundigen, unfinanzierbaren Versprechungen auf Stimmenfang.

"Ausschließeritis" zu betreiben ist, wie die Wahlen in Hessen gezeigt haben, unklug. Insofern stellt sich in NRW vor allem die Frage, ob die Linke überhaupt bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Wir konfrontieren sie mit dieser Frage, damit die Menschen merken, dass eine Stimme für die Linke eine verschenkte Stimme ist. So gelingt es am ehesten, sie aus dem Landtag herauszuhalten. Und da sind wir uns erfreulicherweise einig. Insofern geht es um eine strategische Entscheidung und Herangehensweise, um dieses Ziel zu erreichen, damit es für eine rot-grüne Regierung in NRW reicht.

Noch zu unserem "Lungenflügel" Bündnis 90, wie Sie so schön schreiben: Bündnis 90/Die Grünen in den neuen Bundesländern haben sich sehr gut entwickelt - und die Tradition der Bürgerrechtsbewegungen ist immer präsent. Als es z.B. in Thüringen eine rot-grün-rote Option gab, haben sich unsere grünen Kolleginnen und Kollegen, wie ich finde, sehr gut verhalten, indem sie konsequente Aufklärung gefordert haben sowie die Zusammenarbeit mit ehemaligen Stasi-Leuten verweigerten. Aufarbeitung der Geschichte ist Teil der Zukunft - damit wird die Linke immer wieder von Bündnisgrünen in Ost und West konfrontiert.

Das zeigt, dass es in keinem Fall um die Opferung von Moral und Prinzipien geht.

Mit freundlichen Grüßen

Sylvia Löhrmann MdL