Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Christoph A. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
mich würden die Hintergründe ihrer anstehenden Dienstreise nach Afrika interesieren, und welche konkreten Erkenntnissgewinne damit verbunden sind, die derartige Kosten rechtfertigen. Unter Kosten verstehe ich dabei neben den Steugeldern vor allem der unnötige CO2 Ausstoß, und den Imageschaden Ihrer Partei.
Weiterhin würde mich interessieren, ob dies in der jetzigen Zeit wirklich angemessen ist.
Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Sie die Hintergründe dieser Dienstreise erläutern könnten.
Mit freundlichen Grüßen,
Christoph Ahr
Sehr geehrter Herr Ahr,
die Überlegung zu einer solchen Reise entstand im Umweltausschuss nach Veröffentlichung der ersten IPCC-Berichte. Die Frage welche Klimaschutzpolitik und vor allem in welchem Tempo wir machen müssen, können wir nicht an der Situation in Deutschland festmachen, sondern zielorientiert nur an der Situation der Länder, in denen die ersten Auswirkungen bereits sichtbar sind. Die sich verschärfende Wasserproblematik, der Zustand der Böden, der Rückgang der Biodiversität in diesen Ländern hängt eng mit der Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik von hoch industrialisierten Ländern wie unserem zusammen.
Man kann über den Sinn von Parlamentarierreisen grundsätzlich streiten - zu jeder Zeit gibt es Kronzeugen, die das absolut überflüssig finden. Schließlich gibt es Bücher, Filme, Referenten. Die Erfahrung lehrt aber - nicht nur in der Politik - dass nichts so nachhaltig wirkt wie der authentische Eindruck, das selbst Gesehene. Auch das persönliche Gespräch mit verschiedenen Akteuren vor Ort, aus deren vielleicht unterschiedlichen Einschätzungen sich erst ein vollständiges Bild ergibt, ist nicht zu ersetzen.
Ich bin der Meinung, dass wir unsere Politik sehr viel radikaler ändern müssen, als das derzeit angegangen wird. Ich erwarte mir von der Reise eher eine Bestätigung meiner Einschätzung als eine Korrektur. Entsprechend den Erfahrungen meiner bisherigen Delegationsreisen (insgesamt 4x 4-6 Tage, 3x Europa, 1x Indien) verspreche ich mir auch diesmal neue Informationen, Wissenszuwachs, Argumentations- und Entscheidungshilfen, aber auch bleibende Kontakte, über die dann weiterer Informationsaustausch fließt. Fast noch wichtiger ist mir aber, dass Kolleginnen und Kollegen mit anderen Grundhaltungen die Eindrücke einer solchen Reise mitnehmen und in ihre politischen Entscheidungen einfließen lassen.
Es geht aber nicht nur um das, was wir mitnehmen, sondern auch um das, was wir bringen. Interesse und Anerkennung zum Beispiel, die viele vor Ort in Entwicklungsprojekten Arbeitende viel zu wenig bekommen. Ich zitiere aus dem Brief Dr. Schencks , Direktor der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, an den Spiegel: "Seit Jahren wirbt die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) für den Besuch von Regierungsvertretern in die Kernregionen der biologischen Vielfalt. Abgelehnt wurde dies stets aus Angst vor Journalisten wie Frau Bornhöft. Dabei kann die ZGF zusammen mit den tansanischen Partnern gerade in der Serengeti ein strammes Arbeitsprogramm aufstellen: Tourismusentwicklung, selbstverwaltete Schutzgebiete, Klimawandel und Savannenökosysteme, Einfluss von Wildtierkrankheiten, nachhaltige Finanzierungsmechanismen und vieles mehr." Den vollständigen Brief können Sie wie meinen Brief an den Spiegel und den Planungsstand der Reise auf meiner Homepage nachlesen. http://www.kotting-uhl.de/presse/pm2009/090209_leserbrief_Spiegel.html
Monetär lässt sich der Mehrwert einer solchen Reise nicht ausrechnen. Deshalb ist es Ihre persönliche oder meine persönliche und in tatsächlicher Verantwortung die Entscheidung des Bundestagspräsidenten, ob die Kosten gerechtfertigt sind. Die Co2-Emissionen sind für mich eine sehr ernsthafte Fragestellung. Ich habe zwei Einladungen für kurze politische Besuche in New York und China abgelehnt, weil mir der Co2-Ausstoß nicht gerechtfertigt schien. (Ich habe auch schon bereits zugesagte Reisen wieder abgesagt, weil mir bei endgültig vorliegendem Programm der Gehalt für meine weitere Arbeit nicht ausreichend war.) Für 10 Tage mit einem doch umfangreichen Programm an Gesprächen und Projekten (etwas anders als Frau Bornhöft suggeriert) schien mir eine Reise dieser Entfernung verantwortbarer. Aber gerade die Länge der Reise war ja jetzt wohl Futter für den Stammtisch-Artikel. Was das beliebte Spiel Politiker-Bashing auf die Dauer anrichtet, ist nichts Gutes. Es ist jedenfalls nicht nur meine Partei, die dadurch Schaden nimmt. Ich genieße bisher unter denen, die mich kennen, eine hohe Glaubwürdigkeit. Wir werden sehen was sich am Ende des Tages durchsetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl