Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Jens M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
im Rahmen des sog. Konjunkturpakets II wurde auch die Verschrottungsprämie beschlossen: Wer ein (sehr) altes Auto stilllegt und ein neues kauft, bekommt vom Staat 2500 Euro geschenkt.
Ich finde es sehr befremdlich, daß nicht beispielsweise der Umstieg auf eine Kombination aus Fahrrad und Carsharing gefördert wird.
Was halten Sie davon, daß die neu aufgenommenen Staatsschulden dafür verschwendet werden, nicht zukunftsfähige Industrien wie die Automobilindustrie zu stützen und die Chance zu verspielen, die Art, wie wir wirtschaften, grundlegend zu ändern?
Ich möchte hier gerne ein Zitat von Prof. Lawrence Lessig bringen: Auf einen Satz aus einem Editorial im Wall Street Journal: "We shouldn´t undertake projects simply for the sake of creating economic activity. Rather than just stimulate, we should transform." antwortet er: "The point could be made more strongly: If we´re lucky, we get the chance for this kind of transformation once a generation. It would be a scandal [...] to fritter it away."
Ihre Meinung und Ihre Konzepte zum Umgang mit der Wirtschaftskrise würden mich sehr interessieren.
Mit freundlichen Grüßen
Jens Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
dass ein "Konjunktur"paket nicht das Fahradfahren statt Autofahren fördert, ist an dieser Stelle schon logisch, aber man hätte die Förderung des Neuwagen-Kaufs natürlich an den CO2-Ausstoß des Neuwagens koppeln können und müssen. Auch die Neuregelung der KFZ-Steuer tut dies nur viertelherzig, am besten kommt man beim Kauf eines großen Diesels weg - und wie bei der Verschrottungsprämie wird der Kauf eines Audi Q7 geradezu empfohlen. Die Verschrottungsprämie ist das augenfälligste Beispiel für die Blindheit der Koalition, vor allem des Wirtschaftsministers und der Kanzlerin, die beide der Ansicht sind, Klimaschutzbelange müssten nun hintenan stehen bis die Wirtschaftskrise bewältigt ist. Der Klimawandel ist aber nicht so freundlich zu warten bis wir unsere sonstigen Probleme im Griff haben. Und mit dieser Art der versuchten Krisenbewältigung verschärfen wir nicht nur die Klimaproblematik - mit jedem geförderten Spritschlucker - sondern provozieren auch zumindest fürs eigene Land die nächste Wirtschaftskrise. Wenn die deutsche Automobilindustrie aufgrund falscher Rahmenbedingungen sich weiterhin in der Produktion möglichst schwerer schneller CO2-spuckender Wagen gefällt, dann können wir uns ausrechnen, wann die Belegschaften weiter abgebaut werden.
Sie haben mit Professor Lessig (und vielen anderen) völlig Recht: Krise ist immer auch eine Chance - wenn man erkennt, was ursächlich zu ihr geführt hat. Diese Krise hat ihr Gutes, wenn sie dazu führt, aus dem tödlichen globalen Wettlauf um Rohstoffverbrauch, Energieverschwendung und Umwelt zerstörendem Wachstum herauszuführen. Wer Klimakrise und Wirtschaftskrise nicht zusammen denkt, vertut allerdings die Chance. Was die Kanzlerin mit "Wir wollen aus der Krise stärker heraus kommen als wir hinein gegangen sind" meint, sind Strohfeuer die ihr vielleicht bei der nächsten Wahl helfen. Stärker herauszukommen hieße, endlich auf Nachhaltigkeit umzusteuern: ökologischer Umbau der Wirtschaft, in Bildung und Ausbildung investieren und die Kaufkraft derjenigen zu stärken die am bzw. unter dem Existenzminimum leben (z.B. endlich die Regelsätze von Hartz 4 auf dieses Existenzminimum zu erhöhen).
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl