Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Janina M. bezüglich Bildung und Erziehung
Welche Vorstellungen/Pläne haben sie im Bezug auf die Situation in den Schulen?
Lehrermangel, Stundenausfall, Schlechte Leistungen in der PISA-Studie!?
Sehr geehrte Frau Moll,
ich lege Ihnen gern meine grundsätzliche Vorstellung von Schule und Bildung dar. Lehrereinstellung und Stundenausfall liegen in landespolitischer Verantwortung.
Wir können es uns m.E. nicht leisten, nicht von den Ländern zu lernen, die in den PISA-Studien vorne liegen. Alle diese Länder eint, dass sie kein selektives Schulsystem haben. Die Angst vieler Gymnasiasten-Eltern bei uns, ihre Kinder könnten durch eine Schule für alle benachteiligt werden, scheint mir unnötig. In den skandinavischen Schulsystemen werden alle Kinder gefördert, mehr Kinder machen Abitur und Hochschulabschlüsse, und so gut wie keine Kinder bleiben unterwegs auf der Strecke. Wir brauchen Schulen, die Kinder individuell fördern und jedes Kind seine Anlagen und Fähigkeiten entwickeln lassen. Das wird unterbunden, wenn in der 4. Klasse entschieden wird, welchen weiteren Entwicklungsweg das Kind zu nehmen hat.
Ich bin auch für den flächendeckenden Ausbau der Ganztagesschulen. Ich bin überzeugt, dass mit klugen Konzepten eine Ganztagesschule weit mehr als eine Halbtagesschule den Kindern die sozialen, kommunikativen und weiteren Schlüsselkompetenzen vermitteln kann, die in Zukunft immer mehr über das Gelingen des eigenen Lebensentwurfs entscheiden werden. Dazu braucht es allerdings pädagogisch geschultes Personal. Mit ausschließlich Ehrenamtlichen - wie unser Ministerpräsident Oettinger sich das vorstellt - ist das nicht zu leisten. Die Ganztagesschule will ich auch - ich gebe es zu - weil sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf endlich auch für Frauen verlässlich garantiert. Bildung ist die entscheidende Zukunftsaufgabe unseres Landes. Auch aus ökonomischen Interessen: wir haben keine anderen Ressourcen als unsere Köpfe und deren Kompetenz. Auch im ganz pragmatischen Sinn sind Kinder das Kostbarste das wir haben. Deshalb bin ich bei allen Sparzwängen für Investitionen in Bildung - und zwar auf allen Ebenen.
Noch ein paar Vorteile des finnischen (PISA-Sieger) Systems, für deren Umsetzung bei uns ich mich gerne einsetzen will: - es gibt Bildungsstandards, die in bestimmten Stufen erreicht sein müssen, aber wie die einzelne Schule dahin kommt, ist ihr überlassen, sie ist autonom und kann sich auf ihre spezielle Situation einlassen: kommunale Umgebung, Eltern und natürlich: die Kinder, - die Eltern haben mehr Rechte aber auch mehr Pflichten als bei uns, sie gestalten die Schule mit, - der Bildungsauftrag des Staates beginnt im Kindergarten. ErzieherInnen studieren an der gleichen Hochschule wie GymnasiallehrerInnen. Und das finnische Prinzip ist: die besten Pädagogen kommen in den Kindergarten. "Was ich in dieser frühen Zeit gut anlege, kann ich später sparen. Was ich in dieser Zeit versäume, kann ich nicht mehr einholen."
Ein solches Schulsystem kann sich natürlich nicht leisten, zuwenig Lehrer zu haben und massenweise Stunden ausfallen zu lassen. So beantworten sich ihre anderen Fragen von selbst.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl