Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Jens C. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
als Internetversandhändler bin ich von der Verpackungsverordnung betroffen und muss die Rücknahme auch von Versandkartons (=Transportverpackungen) gewährleisten. Dies funktioniert folgendermaßen: Die Kartons sind lizenziert z.B. bei einem Unternehmen wie Interseroh. Der Kunde erhält eine Telefonnr. wo er eine Abgabestelle in seiner Nähe erfragen kann und kann dort seine Pappe abgeben bzw. die Abholung veranlassen. (Mal ehrlich: Das macht doch kein Mensch.)
Vor kurzem erhielt ich ein Rundschreiben der Stadt. Darin wurden alle Bürger aufgefordert Zeitschriften, Papier und Pappe (d. h. auch Versandkartons) auf jeden Fall an den städtischen Sammelstellen abzugeben oder in die städtischen blauen Tonnen zu geben. Es ginge um hundertausende Euro die der Stadt sonst an Einnahmen verlorengingen falls die Bürger die blauen Tonnen privater Entsorger nutzen würden bzw. Ihr Altpapier und Altkartonagen bei privaten Entsorgern abgeben würden. Dies hätte höhere Müllgebühren zur Folge.
Das verstehe ich nicht. Ist mein Versandkarton jetzt ein Müll der teuer wiederverwertet werden muss, wofür ich ja Geld bezahle? Oder ist es ein wertvoller Rohstoff der den Städten und Gemeinden hilft die Gebühren für die Bürger niedrig zu halten?
Entweder geben die Bürger weiterhin Ihre Pappe an städtischen Sammelstellen ab damit die Städte und Gemeinden weiterhin die Müllgebühren niedrig halten können. Dann frage ich mich aber warum ich Lizenzgebühren an einen privaten Entsorger zahlen soll. Am Ende zahle ich ja selbst auch noch höhere Müllgebühren.
Oder die Bürger geben die Pappe beim privaten Entsorger ab und zahlen dafür höhere Müllgebühren weil den Städten die Einnahmen fehlen.
Das ist doch mit Verlaub idiotisch. Wer denkt sich sowas aus oder habe ich da was falsch verstanden? Wo ist mein Denkfehler bzw. was ist Ihre Position zur Verpackungsverordnung.
Sehr geehrter Herr Carsten,
nein, Sie haben nichts falsch verstanden und Sie haben in Ihrer Einschätzung völlig Recht!
Die Verpackungsverordnung ist wie überhaupt die vorherrschende Vorstellung von Abfallpolitik überholt. Unter dem Zeichen weltweit zunehmender Rohstoffverknappung müssen wir unser Verständnis von Abfallwirtschaft ändern. Es geht nicht mehr um die ENTsorgung von Müll, sondern um die VERsorgung mit Sekundärrohstoffen. Wer das noch nicht verstanden hat, dem zeigt es beispielhaft der von Ihnen beschriebene (und auch in anderen Kommunen stattfindende) Streit zwischen DSD-Unternehmen und Kommunen um den Rohstoff Papier. Ich sehe als Umweltpolitikerin wenig Sinn darin mich und eine Vielzahl weiterer politisch tätiger Menschen in regelmäßigen Abständen mit Novellierungen der Verpackungsverordnung zu befassen, um das System DSD zu erhalten das ökologisch überholt und ökonomisch viel zu teuer ist (pro Jahr ca 1,6 Mrd. Euro) und sich im Übrigen auch dem echten Wettbewerb hartnäckig entzieht.
Politisch steht die Entwicklung der Abfallpolitik zur Ressourcenpolitik an. Ich habe dazu das Konzept einer Wertstoffverordnung entwickelt, das die unsinnigen ökologisch heute unwirksamen Lizenzgebühren durch eine Ressourcenabgabe ersetzt die nach ökologischen Kriterien gestaffelt auf tatsächliche Produktverantwortung zielt. Da bei diesen Kriterien unter Anderem die Recycelbarkeit und der Marktwert des Sekundärrohstoffs eine Rolle spielen, kämen Ihre Verpackungen (sofern nur aus Pappe) hier sehr gut weg - Ressourcenabgabe vermutlich gegen Null.
Falls Sie das Konzept interessiert - Sie finden es auf unserer Fraktionshomepage oder unter http://www.kotting-uhl.de
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl