Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Jens M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
zur Zeit läuft eine Petition gegen die Benutzungspflicht von beschilderten Radwegen. Sie fordert, dem Radfahrer die Wahl zwischen Radweg und Fahrbahn zu lassen. Hintergrund ist, daß diese straßenverkehrsrechtliche Regelung nicht zuvorderst die Sicherheit des Radverkehrs, sondern "ungehinderte" (in Wirklichkeit stehen sich Autos hauptsächlich gegenseitig im Weg) Fahrt für Kraftfahrzeuge zum Ziel hat.
Seit der StVO-Novelle von 1998 sollen benutzungspflichtige Radwege zwar die Ausnahme sein. Sie dürfen nur dort beschildert werden, wo eine besondere Gefahrenlage es unbedingt erforderlich macht. Dies ist wohl in den seltensten Fällen der Fall. Untersuchungen, u.a. der Bundesanstalt für Straßenwesen, zeigen, daß innerorts die Unfallgefahr auf rechten Radwegen dreimal, auf linken bis zu zwölfmal so hoch ist wie auf der Fahrbahn. Auch außerorts ist eine Erhöhung der Verkehrssicherheit nicht erwiesen.
Im übrigen interessieren sich die meisten Straßenverkehrsbehörden nicht für die Rechtslage. Auch in Karlsruhe gibt es genügend Beispiele: In der Karl-Wilhelm-Straße ist stadteinwärts ein getrennter Rad-/Fußweg, der natürlich für zügiges Vorankommen viel zu schmal ist. In Gegenrichtung ist kein Radweg. Wo soll der Unterschied in der Gefahrenlage sein? In der Straße "Am Fasanengarten" ist ein Zweirichtungsradweg als benutzungspflichtig beschildert, obwohl die VwV-StVO dies in Tempo-30-Zonen ausdrücklich verbietet. Am Adenauerring (Ostseite) Richtung Süden ist ebenfalls ein getrennter Rad-/Fußweg, allerdings ist die Trennlinie (Zeichen 295) fast vollkommen verschwunden. Das Vorankommen für Radfahrer ist hier stark erschwert, weil Fußgänger auf dem Weg laufen.
Sie sehen also, daß die Separation nicht praxistauglich ist. Eine Substitution des Autos durch das Rad im Alltagsverkehr kann so nicht erreicht werden, einschlielich der damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die Umwelt.
Wie ist Ihre Meinung hierzu? Unterstützen Sie die Petition?
Sehr geehrter Herr Müller,
das Problem, das Sie ansprechen, ist mir bekannt. Die Benutzungspflicht wirft immer wieder die Frage auf, ob damit die Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern optimal gewährleistet werden kann. Ich würde jedoch nicht grundsätzlich unterstellen wollen, dass dem Gesetz die ungehinderte Fahrt für KFZ zugrunde liegt, mit dem Ziel die Radfahrer zu verdrängen. Es geht in erster Linie um den Sicherheitsaspekt. Natürlich kann aber ein Gesetz seine positive Wirkung für alle Beteiligten nur entfalten, wenn es auch vernünftig umgesetzt wird.
Die Beispiele die Sie in Karlsruhe aufführen, gibt es in ähnlicher Form auch in anderen Kommunen, auch gibt es bereits diverse Grundsatzurteile, in denen Radfahrer in Einzelfällen die Unsinnigkeit der Benutzungspflicht beklagt und vor Ort Recht bekommen haben. Ob sich an der Praxis etwas ändert, wenn die Benutzungspflicht, die ja nach wie vor die Ausnahme sein soll, ganz aus dem Gesetz genommen wird, wage ich zu bezweifeln.Das Problem wird man wahrscheinlich nur direkt vor Ort mit einer vernünftigen und am Bedarf der Radfahrer orientierten Verkehrspolitik bewältigen können.
Das Karlsruher 20-Punkte Konzept, das für jedes Jahr die Errichtung zweier neuer Radrouten vorsieht, ist sicher nicht schlecht, um in diesem Zusammenhang die Öffentlichkeit und die zuständigen VerkehrspolitikerInnen darauf aufmerksam zu machen, dass auf bestimmten Strecken die Benutzungspflicht eher hinderlich ist und nichts zur Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern beträgt.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl