Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Helmut S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
meine Frage 2. übergehen Sie. Ich habe nicht gefragt ob die Zweistaatenlösung gut oder schlecht ist. Die Frage war, ob Sie angesichts der aufgeführten Fakten und der Tatsache, dass sie von der gegenwärtigen israelischen Regierung nicht gewollt wird, noch realistisch ist. Es ist Ihnen ja sicher bekannt, dass die politischen Verhältnisse in Israel sich so entwickelt haben, dass ohne die Nationalreligiösen keine Regierung mehr gebildet werden kann. Vor dem Hintergrund Ihrer Kritik an der BDS-Bewegung stellt sich dann doch die Frage, was tun angesichts einer Regierung die eine menschen- und völkerrechtskonforme Lösung des Konflikts gar nicht will? Wenn die Lösungsvorschläge der von BDS nicht zielführend sind: Was sind Ihre Lösungsvorschläge? So weit ich sehe, haben Sie keine Alternativen?
Auch der 4. Frage nach ethnischer Vertreibung/Verdrängung weichen Sie aus: In der Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestag (2) werden die Praktiken der israelischen Verwaltungsbehörden gegenüber der palästinensischen Bevölkerung in den C-Gebieten der Westbank als "ethnische Verdrängung" charakterisiert, der Begriff "ethnische Säuberung" wird dabei vermieden, weil unmittelbare Gewalt dabei nicht zum Einsatz komme. Andere Definitionen von "ethnischer Säuberung" stellen auf den Zweck ab, ein bestimmtes Territorium von einer bestimmten Ethnie zu "säubern" und lassen ein breites Spektrum von dabei eingesetzten Mitteln. Nach dieser Definition spricht viel dafür, dass es in den C-Gebieten der Westbank um "ethnische Säuberung" geht, da den dort lebenden Palästinensern die Lebensgrundlagen systematisch entzogen werden.
Wird das in Ihrer Fraktion überhaupt zur Kenntnis genommen? Wenn ja, wie reagieren Sie darauf? Sind Menschenrechtsverletzungen für die GRÜNEN eine Frage, die politischen Opportunitäten untergeordnet werden - auch dann, wenn es um ethniche Vertreibung geht?
Sehr geehrter Herr S.,
es scheint im Moment leider überhaupt keine realistischen Möglichkeiten für eine schnelle Beendigung der rechtlosen Situation der Palästinenserinnen und Palästinenser zu geben. Die Vorschläge für eine Gleichberechtigung aller Bürgerinnen und Bürger in einem Staat zwischen Mittelmeer und Jordan halten meine Bundestagsfraktion und ich für noch unrealistischer wie die Zwei-Staaten-Regelung. Das Ziel internationaler Bemühungen muss die Zwei-Staaten-Konzeption bleiben, auch wenn die unter Präsident Netanjahu gerade ferner denn je scheint.
Die israelische Politik in den C-Gebieten läuft auf eine Verdrängung der palästinensischen Bevölkerung hinaus. Dazu haben Mitglieder meiner Fraktion Ende August eine parlamentarische Kleine Anfrage eingebracht, in denen sie diese Entwicklung thematisiert haben. Die Einschätzung der Bundesregierung können Sie den Antworten entnehmen:
Politische und menschenrechtliche Lage der Palästinenserinnen und Palästinenser in der Westbank http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/127/1912718.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl