Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Jan T. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
warum setzen die Grünen nicht mehr auf geschlechterunspezfische Emanzipationspolitik, sondern "... kämpfen dafür Chancen, Macht, Geld und Zeit endlich gerecht zwischen Männern und Frauen zu teilen"? Dies hindert einen nicht daran, z.B. materielle Ungleichverteilungen zu analysieren und Abhilfe zu schaffen, aber Emanzipation geht viel weiter, vor allem weil sie auch dazu beiträgt materielle Bezüge letztlich auf eine Art zu überwinden.
Der gemeinsame grundlegende Nenner in der ganzen Diskussion ist für mich nämlich Emanzipation und zwar in dem Sinne verstanden, dass man sich letztlich nicht von den Dingen, sondern nur inmitten der Dinge befreien kann. Etwas, das meiner Meinung nach für alle Menschen ein sinnvolles Ziel sein könnte und in diesem Zusammenhang auch eine Funktion als Regulativ zukommt, um die eigenen Ansprüche nicht zu übertreiben, weil sich das Weltgeschehen doch zu großen Teilen unserer bewussten Kontrolle und unserem Verständnis entzieht und die eigenen Wünsche und Ansprüche letztlich doch nie wirklich befriedigt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
J. T.
Sehr geehrter Herr T.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ja, grüne Politik will "Chancen, Macht, Geld und Zeit (...) endlich gerecht zwischen Frauen und Männern teilen". Wir sehen es als Aufgabe der Politik an, gleiche Möglichkeiten zu schaffen. Darunter verstehen wir beispielsweise Entgeltgleichheit, Schutz vor Gewalt, ein Rückkehrrecht aus Teilzeit auf die vorherige Arbeitszeit, einen Arbeitszeitkorridor zwischen 30 und 40 Stunden, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen über ihren Körper. Das sind politische Ziele, nicht nur materieller Art, die aus unserer Sicht Gleichberechtigung ausmachen.
Ich bin aber der Meinung, dass das Ziel einer gerechteren Gesellschaft nicht im Widerspruch zu Ihrem Ansatz steht, sich inmitten der Dinge zu befreien und es mit den eigenen Ansprüche nicht zu übertreiben. Auf grüne Initiative wurde beispielsweise in der vergangenen Wahlperiode die Enquete "Wachstum, Wohlstand. Lebensqualität" im Deutschen Bundestag eingerichtet. Im Vordergrund stand dabei die Frage nach der Art unseres Wirtschaftens und Lebens innerhalb der Grenzen unseres Planeten. Schon allein das Ziel unseren Kindern und Enkelkindern eine lebenswerte Erde hinterlassen zu wollen, sollte dem Wunsch nach "immer mehr" Einhalt gebieten.
So lange eine Gesellschaft, in der materielle Bezüge keine Rolle mehr spielen, noch nicht existiert, gilt es die bestehenden Ungerechtigkeiten zu beseitigen, nicht nur zwischen Männern und Frauen, auch zwischen Armen und Reichen, etc.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl