Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Pascal B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
die geplante, zeitweise Absenkung des Renteneintrittsalters auf 63 Jahre für langjährige Beitragszahler halte ich für ungerecht. Sowohl jetzige Rentner als auch alle nach 1964 Geborene profitieren davon nicht, weil sie wie nach den bisherigen Gesetzen erst mit 65 abschlagfrei in Rente gehen können bzw. konnten.
Weiterhin sehe ich die geplante Finanzierung der Mütterrente aus Mitteln der Rentenversicherung kritisch. Dies ist für mich eine Sozialleistung, die aus meiner Sicht vom Staat und nicht vom Beitragszahler bezahlt werden sollte. Ab 2019 sollen dafür laut dem Bundesministerium für Arbeit auch die Zuschüsse des Bundes zur Rentenversicherung erhöht werden. Woher soll dieses Geld kommen, wenn ab 2018 die Schuldenbremse eine strukturelle Neuverschuldung verhindert?
Als jetzt 18-jähriger Student zweifle an der Generationengerechtigkeit dieser Änderungen. Das Rentenniveau vor Steuern soll von jetzt noch 49% bis 2030 auf 43% sinken. Ein weiteres Absinken erscheint wahrscheinlich. Zudem steigt der zu versteuernde Anteil der gesetzlichen Rente abhängig vom Renteneintrittsjahr seit 2005 um jährlich 2 Prozentpunkte an.
Halten Sie die geplanten Änderungen am Rentengesetz in Bezug auf diese Entwicklungen im Speziellen und den demographischen Wandel im Allgemeinen für generationengerecht?
Werden Sie im Bundestag für diese Änderungen stimmen?
Mit freundlichem Gruß
Pascal Baumann
Sehr geehrter Herr Baumann,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Bitte entschuldigen Sie, dass die Antwort etwas gedauert hat. Als Mitglied des AK Umwelt brauche ich zur Beantwortung doch recht spezifischer Fragen in einem Themenfeld eines anderen AK erst ein paar Details vom zuständigen Referenten. Das dauert manchmal.
Zu den Rentenplänen der Bundesregierung nach den wahren Kosten für den Bundeshaushalt bis 2030 gefragt, kann oder will die Bundesregierung keine klare Antwort geben (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Rentenpläne der Bundesregierung“ Drucksache 18/629). Fakt ist, dass die Bundesregierung nicht alle Kosten im Gesetzentwurf aufweist und auch auf Nachfrage nicht detailliert liefert.
Der direkte Zuschuss zur Rentenversicherung für die von Ihnen erwähnte Erhöhung der Rentenanwartschaften für Zeiten der Kindererziehung wird ab 2019 zunächst um 0,5 Milliarden und dann erst schrittweise bis 2022 auf 2 Milliarden erhöht. Bis 2030 entstehen dem Bundeshaushalt somit schätzungsweise weitere 20 Mrd. Euro Kosten auf Grund des höheren Bundeszuschusses. Zusammen mit dem höheren Steuerzuschuss auf Grund des höheren Beitragssatzes macht das zusammen 40 Mrd. Euro Belastung für den Bund bis zum Jahr 2030. Hinzu kommen Steuermindereinnahmen durch einen höheren Sonderausgabenabzug auf Grund der höheren Beitragssätze. Wie hoch diese sind, kann die Bundesregierung nicht sagen (Frage 1b).
Die Bundesregierung macht ein Gesetz, ohne zu wissen, ob ggf. kleinere Einkommen gegenüber höheren Einkommen belastet werden (Frage 2). Zu den Verteilungswirkungen gibt es keine Auskünfte. Auch Vorschläge zur Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten sind unzureichend.
Die neue Bundesregierung betreibt Politik nach dem Muster der alten: Statt langfristige Vorsorge zu treffen, bürdet sie den Sozialversicherungen immer neue Aufgaben auf, die eigentlich aus dem Bundeshaushalt zu zahlen wären.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sollte der Beitragssatz nicht gesenkt werden. Das sehen wir auch so. Wir wollen jedoch, dass die Mittel dazu verwendet werden, dass der Beitragssatz auch über 2020 hinaus und möglichst lange unter 20 Prozent gehalten werden kann. Ein weiterer Teil soll dazu verwendet werden dringend notwendige Reformen, insbesondere bei der Erwerbsminderungsrente und dem Reha-Budget, zu finanzieren.
Wir unterstützen grundsätzlich die Ausweitung der Kindererziehungszeiten in der Rente für Kinder, die vor 1992 geboren wurden. Eltern - in der Regel Mütter - von Kindern, die seit 1992 geboren wurden, erhalten drei Jahre Kindererziehungszeiten in der Rente. Für Kinder, die davor geboren wurden, wird nur ein Jahr gewährt. Eine Gleichbehandlung wäre richtig, denn die Erziehungsleistung von allen Eltern ist gleich wichtig und gleich viel wert. Gleichzeitig ist für uns jedoch eine nachhaltige und solidarische Finanzierung dieser nicht unerheblichen Ausweitung der Rentenleistungen eine notwendige Voraussetzung. Davon kann keine Rede sein.
Die „Mütterrente“ ist das teuerste Projekt der Regierung. Nahezu 7 Mrd. Euro will die Bundesregierung Jahr für Jahr dafür ausgeben. Über die Armutsgrenze wird sie damit so gut wie keine Frau heben. Für Frauen, die von Armut bedroht sind, wäre mehr geholfen, wenn ein Mindestniveau in der Rentenversicherung eingeführt würde. Für uns hätte darum die Einführung einer Garantierente oberste Priorität gehabt.
Ich habe das Rentenpaket der Bundesregierung im Bundestag abgelehnt.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl