Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Thomas W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
der Entwurf zum ESM-Vertrag liegt ja nun vor (z.B. hier: http://www.peter-bleser.de/upload/PDF-Listen/E-Mail-Info_Eurostabilisierung/Entwurf_Vertrag_ESM.pdf ), und was drin steht, läuft auf ein Ermächtigungsgesetz für die Finanzmärkte hinaus, unter weitestgehendem Ausschluß der nationalen Parlamente.
Bei aller Liebe für die europäische Idee: Ein (weitestgehend undemokratisches) Europa der Finanzmärkte kann nicht das sein, was sich die Menschen wünschen. Europa zählt viel, aber die Demokratie zählt mehr.
Nur aus Imagegründen und Fraktionsdisziplin blindwütig an einer vermeintlichen europäischen Idee festzuhalten, ist der Problematik nicht angemessen. Es geht hier doch um viel mehr: nämlich um Grundfragen unserer demokratischen Gesellschaftsordnung und um die Rolle, die Parlamente künftig darin noch spielen sollen.
Einmal angenommen, der momentane Entwurf käme so im Bundestag zur Abstimmung: Wie würden Sie votieren, und wie würden Sie das begründen?
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Weller
Sehr geehrter Herr Weller,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Sie haben Recht, der Entwurf zum ESM-Vertrag hebelt das Recht der nationalen Parlamente ein Stück weit aus. Ich habe damit durchaus ein Problem, finde es aber schwierig Europa und Demokratie gegeneinander aufzuwiegen, wie Sie es in Ihrer mail tun . Das Dilemma ist, dass demokratische Entscheidungsprozesse in allen nationalen Parlamenten der EU zu langsam wären um dann tatsächlich noch reagieren zu können. Allerdings müsste m.E. mindestens die Zustimmung des Haushaltsausschusses bei jeder Einzelentscheidung eingeholt werden. Wir in der Grünen Bundestagsfraktion sind nach ausführlichen Debatten geneigt der Errichtung des ESM zustimmen. Die Argumente dafür sind, dass er hilft, die Eurozone zu stabilisieren und den Weg für mehr europäische Integration bereitet. Das kostet Geld und Mut. Aber die Kosten des Nichthandelns wären noch größer. Viel zu eng ist inzwischen die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten, als dass ein Herausbrechen einzelner Staaten ohne massiven Schaden für alle Beteiligten möglich wäre. Und politisch brauchen wir eine starke und handlungsfähige EU, um den globalen Herausforderungen begegnen zu können. Deutschland allein hat in einer globalisierten Welt auf Dauer kein Gewicht - wir brauchen Europa. Deshalb kann die Antwort auf die Krise nur heißen: mehr Integration.
Mehr Integration heißt für die Grüne Bundestagsfraktion: Der ESM kann nur ein Element der finanzpolitischen Zusammenarbeit in Europa sein. Wir brauchen einen starken Stabilitäts- und Wachstumspakt mit klaren Regeln zur Vermeidung von übermäßiger Verschuldung, eine Wirtschaftsregierung, die Fehlentwicklungen in einzelnen Staaten frühzeitig erkennt und eine Kultur finanzpolitischer Verantwortung. Dafür muss sich die Bundesregierung in Brüssel einsetzen..
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl