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Sylvia Kotting-Uhl
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,

es geht um das Thema

Schulkinder gegen den Willen der Eltern in die Kaserne.

Wenn die Bundeswehr Schüler wirbt und entsprechende Veranstaltungen in und außerhalb der Schule Teil des Schulunterrichts werden, sind die Kinder nach dem Schulgesetz zur Teilnahme verpflichtet. Dies wurde mir vom wissenschaftlichen Referenten der FDP-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Jan-Hendrik Strunk, mitgeteilt. Er erwähnte dabei: VG Berlin, Urteil vom 14.2.97.

Nach meinem Eindruck wollen immer mehr Eltern nicht, daß ihre Kinder in Afghanistan ihr Leben riskieren. Die Erziehung dieser Eltern ist darauf ausgerichtet, daß ihre Kinder nicht als Freiwillige zur Bundeswehr gehen. Nach meinem Eindruck wollen diese Eltern nicht, daß ihre Kinder an Werbeveranstaltungen der Bundeswehr teilnehmen.

Wie würden Sie sich verhalten, wenn Sie Schulrätin oder Schuldirektorin wären?
Wäre für Sie der Elternwille vorrangig? Falls ja: Wie würden Sie den Teilnahmezwang
vermeiden.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Reth,

es sieht tatsächlich so aus, dass die Bundeswehr zunehmend freien Zugang in pädagogische Institutionen findet. Im Oktober 2008 in NRW und im April 2009 im Saarland wurden Verträge zwischen Bundeswehr und Bildungsministern geschlossen, die eine verpflichtende Einbeziehung von Jugendoffizieren in die Gestaltung und Umsetzung von Lehrplänen vorsehen. Ich halte das für sehr bedenklich. Wenn meine Information, dass eine als "privat" bezeichnete Arbeitsgemeinschaft "Jugend und Bildung e.V." im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums Handreichungen in Form von Schüler- und Lehrerheften herausgibt, sich nicht nur auf Einzelfälle bezieht, sondern Standard wird, dann scheint mir hier doch eine Grenze überschritten. Ich habe die Bitte um genauere Recherche an meine zuständigen FraktionskollegInnen weitergeleitet.

Die Jugendoffiziere scheinen mit Strategiespielen wie POL&IS (Politik und Internationale Sicherheit) zu arbeiten. Über Rollenspiele werden Jugendliche an militärstrategisches Denken heran geführt. Weltweite Ressourcenverteilungskonflikte werden vorgegeben und sollen mit herrschenden Interventionsszenarien gelöst werden. Das ist genau die Art von "Neuer Nato-Strategie", die ich persönlich für völlig unzulässig halte und die vom Deutschen Bundestag übrigens bis heute nicht ratifiziert wurde. Den Schülerinnen und Schülern wird die Bundeswehr im Arbeitsblatt "Hilfe für Menschen in Not" darüber hinaus als eine Art Hilfsorganisation dargestellt mit Ähnlichkeiten zum Internationalen Roten Kreuz und Amnesty International. Das Ganze ist Werbe- und Image-Kampagne für die Bundeswehr. Das kann man schlecht verbieten, aber an Schulen hat das in meinen Augen nichts verloren. Emanzipierte SchulrätInnen und SchuldirektorInnen sollten sich dagegen verwahren, Eltern auch. Ich werde versuchen, eine parlamentarische Initiative meiner Fraktion dagegen zu starten.
Von daher: herzlichen Dank für Ihre Frage, die mich auf das Problem gestoßen hat (als Fachpolitikerin mit anderem Arbeitsgebiet und Mutter bereits erwachsener Kinder war ich bisher damit nicht konfrontiert).

Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl