Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Lutz C. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
als Angela Hoffmeyer vom Bundesvorstand des "Väteraufbruch für Kinder" im Rahmen einer Veranstaltung hier in Karlsruhe die Ergebnisse einer Befragung der Bundestagskandidaten aller Parteien zur Väterpolitik im Vorfeld der Wahlen präsentierte und sich dabei zeigte, dass von allen fünf im Bundestag vertretenen Parteien, Bundestagskandidaten der Grünen mit großem Abstand am seltensten zugestimmt hatten bei der Frage: "Soll in Deutschland - so wie europaweit Standard - das gemeinsame Sorgerecht auch für nicht miteinander verheiratete Eltern ab Geburt ihres Kindes bzw. ab Vaterschaftsanerkennung eingeführt werden?" (Was eine tatsächliche Gleichstellung ehelicher und nichtehelich geborener Kinder bedeuten würde), rief ein Besucher ungläubig: "Waaas? Ich dachte immer, die Grünen wären so fortschrittlich." Darauf kam aus einer anderen Ecke: "Die Grünen sind doch von Feministinnen dominiert. Die vertreten Fraueninteressen auf Kosten von Vätern und Kindern." Hat er Recht?
Freundliche Grüße
Lutz Chmelik
Sehr geehrter Herr Chmelik,
nein, er hat nicht Recht.
Tatsächlich hat die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen als einzige in der nun endenden Wahlperiode einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, in dem eine Änderung der bestehenden Sorgerechtsregelung bei Nichtverheirateten zugunsten der Väter verlangt wird. Dem vorausgegangen war ein öffentliches Fachgespräch, welches die Fraktion zu diesem Thema durchgeführt hatte. Kern unseres Änderungsvorschlages ist eine Stärkung der Mediation im Streitfall und, wenn diese nicht erfolgreich ist, die Möglichkeit einer gerichtlichen Durchsetzung der gemeinsamen Sorge. Das sogenannte Mütterveto wäre damit abgeschafft.
Auf Väterpolitik.de wird dieser Sachverhalt in der Umfrageauswertung auch explizit angeführt: So hat Bündnis 90/Die Grünen in der ablaufenden Legislaturperiode einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der Vätern einen Klageweg auf ein gemeinsames Sorgerecht einräumt. Dementsprechend lehnten viele Kandidierende von Bündnis 90/Die Grünen ein generelles gemeinsames Sorgerecht ab Geburt bzw. Vaterschaftsanerkennung ab.
Unser Antrag wurde im Bundestag von allen anderen Fraktionen abgelehnt, vielfach mit dem Hinweis auf eine wissenschaftliche Untersuchung zur Sorgerechtspraxis, deren Ergebnisse Ende 2010 vorliegen sollen. Wir waren - wie etliche Experten - der Auffassung, dass schon jetzt eine fundierte Bewertung möglich ist und die bestehende Gerechtigkeitslücke im Sorgerecht geschlossen werden kann und sollte.
Die Kandidatinnen und Kandidaten von Die Linke haben sich in der Befragung zwar für eine automatische gemeinsame Sorge ausgesprochen; im Parlament hat die Fraktion Die Linke unseren Antrag jedoch mit der Begründung abgelehnt, die von uns angestrebte Öffnung sei grundverkehrt. In den vergangenen Jahren wollte außer den Grünen keine Fraktion das Thema anpacken.
Die Art und Weise wie wir uns mit Themen befassen, ist oft zu differenziert um in ein Ja/Nein-Schema zu passen - die Problemlagen die hinter den Fragen stehen, sind es aber im Allgemeinen auch.
Mit feundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl