Frage an Sylvia Kotting-Uhl von Tobias M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl,
ihre bisherigen Antworten auf Fragen zum Thema Computerspiele kann man ihre Meinung mitlerweile sehr gut entnehmen.
Mir ist dabei aufgefallen, dass sie sich dabei immer wieder auf Studien stützen, die belegen sollen, dass Computerspiele Gewaltbereitschaft fördern.
Dazu möchte ich ihnen einmal einene Auszug aus einer Veröfentlichung des Deutschen Kulturrates präsentieren und möchte gerne wissen, was sie von dieser Einschätzung des Kulturrates halten.
Berlin, den 13.03.2009. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass nach den tragischen Ereignissen in Winnenden nicht wieder die übliche Schwarzweißdebatte um die Ursache so schrecklicher Gewalttaten geführt wird. Zwar gibt es einige wenige Politiker und Experten, die fast schon reflexartig nach dem Verbot von Computerspielen rufen, doch die Mehrzahl sieht keinen Bedarf an gesetzlichen Änderungen.
Das ist eine positive Entwicklung und zeigt, dass die in den letzten Jahren geführte Debatte um Computerspiele zu einer Versachlichung beigetragen hat. Der Deutsche Kulturrat hat sich an dieser Debatte beteiligt (http://www.kulturrat.de/text.php?rubrik=72 ) und tritt für eine konsequente Durchsetzung der bestehenden Regelungen im Jugendschutz ein.
Zugleich muss eine gesellschaftliche Debatte darüber geführt werden, warum gerade männliche Jugendliche solche schrecklichen Taten verüben. Hier mehren sich die Hinweise, dass im bestehenden System der vorschulischen und schulischen Bildung Jungen gegenüber Mädchen benachteiligt werden und besonders überfordert sind.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Statt einer Verbotsdebatte steht nach den schrecklichen Ereignissen von Winnenden dringend eine Bildungsdebatte an. Dabei darf es nicht weiter darum gehen, wie Kinder und Jugendliche noch schneller durch die Schule geschleust werden können, sondern vielmehr um Fragen von Anerkennung und Respekt.“
Sehr geehrter Herr Magyar,
danke für Ihre Zuschrift und die Äußerung des Deutschen Kulturrats. Zu den Forderungen von Herrn Zimmermann habe ich keinen Widerspruch. Aber die Notwendigkeit einer Bildungsreform steht bei mir nicht im Gegensatz zu kurzfristigeren Maßnahmen. Es darf in der Tat gerade nicht um eine Schwarz-Weiß-Debatte des entweder-oder gehen.
Es gibt nicht ein auslösendes Moment, das einen Jugendlichen zum Amokläufer werden lässt. Nach Erkenntnissen der Wissenschaftler, die sich bisher intensiv mit dem Phänomen befassen, gibt es offenbar eine Vielzahl von Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Tragödie wie Winnenden ihren Lauf nehmen kann - „kann“ wohlgemerkt, nicht „muss“! Nicht jeder Jugendliche, der unter vermeintlicher oder tatsächlicher mangelnder Wertschätzung seiner sozialen Umgebung leidet, wird zum Amokläufer. Nicht jeder, der Zugang zu Schusswaffen hat, und nicht jeder, der sich ausgiebig mit Ego-shooter-Spielen beschäftigt. Aber diese drei Merkmale sind unter anderen biografische Gemeinsamkeiten der Amokläufer.
Ich bin absolut der Meinung, dass Bildungs- und gesellschaftliche Reformen und eine andere Wertschätzungskultur der wichtigste Ansatz sind um Tätern und Opfern diese grausamen Schicksale zu ersparen. Das heißt für mich aber nicht, dass wir nicht auch anderes – wie die viel zu vielen und viel zu leicht erreichbaren Schusswaffen und „Qualität“ und Erreichbarkeit für Minderjährige von „Killerspielen“ kritisch anschauen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Kotting-Uhl