Frage an Sylvia Canel von Martin H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Canel,
Immer wieder wird gefordert, dass die Kinder an deutschen Schulen auch in ihrer Freizeit (in den Pausen) in der Schule zum Deutschsprechen angehalten werden. Zuletzt hat FDP-Generalsekretär Lindner dies gefordert (vgl. etwa http://www.focus.de/politik/deutschland/integration-lindner-regt-deutschpflicht-auf-schulhoefen-an_aid_561656.html ).
Wie stehen Sie als Liberale gegenüber einer solchen populären, aber illiberalen Forderung?
Insbesondere frage ich mich, wie sich dies auf den Fremdsprachenunterricht auswirken soll. Soll es verboten sein, während der Pause englische oder russische Dialoge zu üben? Wären die Schulfremdsprachen vielleicht von dem Fremdsprachverbot ausgenommen, so dass Immigranten aus Russland einen Vorteil hätten? Dürfte Türkisch immerhin an den wenigen Schulen in der Pause gesprochen werden, wo Türkisch auch als Fremdsprache gelehrt wird? Oder dürfen Fremdsprachen in der Pause nur von autochthonen Schülern gesprochen werden?
Weiterhin frage ich mich, ob diese Pflicht zum Deutschsprechen auch für Sprecher des Plattdeutschen und für die ethnischen Minderheiten gelten soll, etwa die Sorben (die ja mit dem Verbot des Sorbischen aus den 1930er Jahren schon Erfahrung in dieser Hinsicht haben). Und soll das Deutsche in den Pausen auch an internationalen, englischsprachigen Schulen zur Pflicht gemacht werden? Die Sorge um die sprachliche Integration der Immigranten erstreckt sich ja sicher auch auf englischsprachige Kinder, zumal das Englische für die deutsche Sprache eine immer stärkere Bedrohung wird, und sich vor allem viele englischsprachige Immigranten, gerade auch solche in Führungspositionen (wie etwa einige meiner Kollegen am Max-Planck-Institut), gar nicht mehr bemühen, das Deutsche zu erwerben, auch wenn sie dauerhaft in Deutschland leben und arbeiten.
Ich würde mich freuen, zu hören, in welche Richtung Ihre Überlegungen als Bildungspolitkerin zu diesen Fragen gehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Martin Haspelmath
Sehr geehrter Herr Haspelmath,
gerne teile ich Ihnen meine ganz persönliche Meinung zu diesem Thema mit. Meines Erachtens sollten Schulen mit guten Rahmenbedingungen und gutem Personal, in einem ausreichendem Maße, ausgestattet sein. Dann ist es auch nicht von Nöten, Zwangsmaßnahmen an einer Schule einzuführen. Viel besser wären Anreizsysteme.
Die Verkehrssprache in Deutschland ist deutsch. Die Freude an der deutschen Sprache muss daher gelernt und gelehrt, nicht aber von der Bundesebene herab bestimmt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Canel