Frage an Sylvia Canel von Frank S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Canel,
mich beschäftigt eine Frage, die weder von Lexika noch von den Tageszeitungen jemals wirklich beantwortet wurde. Ständig ist die Rede vom Einfluss bestimmter Lobbyisten oder Lobbyismusgruppen. Beispielsweise vom "Druck, den die Pharmaindustrie auf die Politik ausübt".
Worin genau besteht dieser Druck? Liest man Definitionen von Lobbyismus, so ist dort von Interessengruppen die Rede, die Einfluss nehmen. Aber wie von solchen Interessengruppen Einfluss auf politische Entscheidungen genommen werden kann, habe ich noch an keiner Stelle gelesen.
Können Sie mir diese Frage beantworten?
Vielen Dank im voraus!
MfG
Frank Sühl.
Sehr geehrter Herr Sühl,
vielen Dank für Ihre Frage vom 06.02.2010, die ich gerne beantworte.
An politischen Entscheidungsprozessen sind eine Vielzahl von Akteuren beteiligt: Bürger, Abgeordnete, Fraktionen, Beiräte, Sachverständige und Interessenvertreter.
Bürger nehmen Einfluss auf den politischen Willensbildungsprozess durch Ihre Wahlbeteiligung und -entscheidung, durch Ihre Nachfragen und durch ein Engagement in einer Organisation, etc. So kann jeder seine Interessen vertreten. Interessenvertretung ist also eine Bürgerpflicht. Aus diesem Grund sind Verbände für das Funktionieren einer pluralistischen Gesellschaft unverzichtbar. Sie repräsentieren die gesellschaftliche Vielfalt. Sie bündeln die zahlreichen Einzelinteressen und vertreten sie gegenüber den Gesetzgebungsorganen. Verbände bieten den von ihnen Vertretenen die Möglichkeit zur politischen Teilhabe. Wenn Mitarbeiter von Verbänden gegenüber Ministerien und/oder Abgeordneten deren Interessen vertreten, dann muss dies transparent und in einem Dialog passieren. Gleiches gilt, soweit sich Ministerien des Fachwissens von Unternehmen bedienen, indem sie gezielt Stellungnahmen einholen oder gutachterliche Aufträge erstellen.
Aus einer möglichen Vielzahl von Handlungsalternativen entscheiden am Ende die Mitglieder des Bundestages, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Somit wird die Durchsetzung einseitiger Interessen verhindert, gleichzeitig sind die Interessen aller Betroffenen im Entscheidungsprozess präsentiert. Politik ist die Organisation des Interessensausgleichs.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Canel