Frage an Svenja Stadler von Peter V. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Stadler
zunächst einmal vielen Dank für Ihre überwiegend sehr ausführlichen Antworten. Man hat den Eindruck, dass sie „kritischen Fragen“ nicht ausweichen. Auch wenn man inhaltlich nicht immer mit Ihnen übereinstimmen muss, vermittelt Ihre Art der Kommunikation das Gefühl, als Bürger ernst genommen zu werden!!
Nun zu meinem Anliegen:
Es hat den Anschein, als hätte der Kapitalismus den Punkt überschritten, an dem seine Vorteile (Wohlstandsentwicklung) in das Gegenteil (Gefährdung/Zerstörung der Lebensgrundlagen) umschlagen. Eine Lösung des Problems ist kurzfristig nicht zu erwarten. Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete sagen, eine Lösung kann nur durch Verhaltensveränderungen der Gesellschaft im Rahmen eines Transformations-Prozesses gelingen. - Sind Sie der Ansicht, dass die Bevölkerung ausreichend aufgeklärt ist, um diese Transformation im erforderlichen Umfang unterstützen zu können? Falls Sie Defizite erkennen: Wo sehen Sie für sich in der Rolle des Volksvertreters eine Möglichkeit zur Defizitbehebung, insbesondere auch in unserem Wahlkreis?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Vollmer
Sehr geehrter Herr Vollmer,
vielen Dank für Ihre Frage vom 6. März 2015. Wie es bei Ihren Fragen meistens der Fall ist, ist auch diese wieder komplex und nicht mit wenigen Sätzen zu beantworten. Lassen Sie es mich daher mit vielen Sätzen versuchen.
Sie sprechen an, dass der Kapitalismus einen Punkt erreicht bzw. sogar überschritten habe, ab dem seine negativen Effekte die Positiven übertreffen und daher eine Transformation der Gesellschaft vonnöten sei. Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, sehe jedoch Gesellschaften als weniger starr an, als es ihre Frage vermuten lässt. Gesellschaften – auch unsere – müssen meiner Ansicht nach andauernd auf sich verändernde Begebenheiten reagieren und befinden sich daher ständig in einem Transformationsprozess. Auch „der Kapitalismus“ ist in der Vergangenheit nicht unverändert in Erscheinung getreten, sondern unterlag und unterliegt ständigen Veränderungen. Veränderungen, auf die Politik und Bevölkerung reagieren, die sie gleichzeitig jedoch auch mitgestalten können.
Ich stimme auch darin mit Ihnen überein, dass wir heute an einem Punkt angelangt sind, an dem wir zur Bekämpfung von Krisen nicht mehr allein auf mehr Wirtschaftswachstum setzen können. Denn Wachstum geht mit einem steigenden Umwelt- und Ressourcenverbrauch einher und bietet keine Lösung für die nationalen und globalen Verteilungsfragen, denen wir uns stellen müssen. Es gehört zu den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, den Umgang mit der Natur auf eine Weise zu regeln, die ein gutes Leben für alle Menschen auf der Erde ermöglicht, ohne die Grundlagen unserer Zivilisation zu zerstören. Dazu zählt auch, die soziale Sicherheit zu gewährleisten und die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt, eine ressourceneffiziente Wirtschaftsweise gefördert und unsere Demokratie stabilisiert wird.
Das Bewusstsein in der Bevölkerung für diese Herausforderungen nimmt in meinen Augen stetig zu. Schon jetzt gibt es viele Bürgerinnen und Bürger, die durch ihren Lebensstil vielversprechende Ansätze eines Wohlstands jenseits des Wachstumszwangs aufzeigen. Diese Entwicklung versuche ich im Rahmen meiner politischen Arbeit auf vielfältige Weise zu unterstützen und zu bestärken. Wichtig ist mir hierbei vor allem eines: Wer sich eine aufgeklärte Gesellschaft wünscht, in der die Bürger sich der Folgen ihres Handelns bewusst sind, muss auch die Voraussetzungen dafür schaffen. Politik, die auf Beteiligung setzt, muss immer auch Sozialpolitik sein. Nur wer Zugriff auf Bildung im umfassenden Sinne hat, kann seine Umwelt selbstbewusst gestalten. Und nur wer ein existenzsicherndes Einkommen hat und frei von Diskriminierung lebt, hat Zeit und Selbstvertrauen, um auf sein Umfeld Einfluss zu nehmen. Daher sehe ich es in diesem Zusammenhang als permanente Aufgabe der Politik an, durch eine geeignete Bildungs- und Sozialpolitik, Beteiligung zu ermöglichen. Damit die Bürgerinnen und Bürger als selbstbewusste politische Akteure ihre eigene Umwelt mitgestalten können und wollen. Denn eine Gesellschaft aus solchen Bürgerinnen und Bürgern ist stark genug, um jede Veränderung zu bewältigen.
Mit freundlichen Grüßen
Svenja Stadler