Frage an Svenja Schulze von Martin W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Ministerin,
ich finde es schade, dass Sie sich als Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung nicht zu den Berufschancen von Personen mit einem Universitätsabschluss in der Landesverwaltung NRW äußern wollen.
Ich sehe hier ein Spannungsfeld, da es Ziel der SPD und insbesondere von Ihnen ist, die Anzahl der Studierenden an Universitäten in NRW zu erhöhen, gleichzeitig aber von der rot-grünen Landesregierung die Universitätsabgänger benachteiligt werden.
Die Besoldung der Beamten hat Vorbildcharakter für andere Branchen und bei schlechten Berufsaussichten für den höheren Dienst in der Landesverwaltung bzw. vergleichbaren Positionen in der freien Wirtschaft wird der Besuch einer Universität uninteressant.
Die rot-grüne Landesregierung will und hat überdurchschnittlich stark Beamte mit Universitätsabschluss benachteiligt z.B.:
- geplante Doppelnullrunde bei der Besoldung 2013 / 2014 (trifft alle Beamte mit Universitätsabschluss)
- Kostendämpfungspauschale (Zuzahlung analoge der Praxisgebühr) für höheren Dienst von 300€-750 € anstelle von 0€–300€ bei den übrigen Beamten
-höhere Kürzung des Weihnachtsgeldes für den höheren Dienst
…
Meine Frage bezieht sich darauf, wieso der Besuch einer Universität von Ihnen als Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beworben wird und Sie gleichzeitig die Berufschancen als Mitglied der rot-grünen Landesregierung für genau diesen Personenkreis reduziert haben und weiter reduzieren wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
natürlich ist und bleibt ein Studium sehr attraktiv. Es wird m.E. vom Land zu Recht beworben, weil wir dadurch dem Fachkräftemängel entgegenwirken können. Wir brauchen in NRW für unseren Wirtschafts- und Innovationsstandort möglichst viele möglichst gut ausgebildete Menschen. So bleibt NRW auch langfristig wettbewerbsfähig.
Der zweite Grund, warum ich möchte, dass alle, die das Talent dazu und das Interesse haben, studieren können: Ich möchte Bildungsaufstiege möglich machen, auch für diejenigen, deren Eltern nicht AkademikerInnen sind. Das ist für mich Chancengleichheit. Auch darum ist es richtig, für das Studium zu werben.
Drittens: Hochschulabsolventinnen und -absolventen engagieren sich in Forschung und Entwicklung für eine nachhaltige Gesellschaft. Sie können die Antworten für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit suchen und finden. Auch darum brauchen wir möglichst viele Studierende.
Sehr geehrter Herr Weber, natürlich soll sich ein Studium für den oder die Einzelne auch wirtschaftlich auszahlen. Das hängt natürlich stark vom Einzelfall ab. Denn der individuelle berufliche Werdegang lässt sich nicht im Voraus planen - Verallgemeinerungen sind erst recht nicht möglich. Dennoch kann man aus der Arbeitslosenstatistik ablesen, dass für Hochschulabsolventen eine geringe Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit besteht.
Weil Sie die sozial gestaffelte Übernahme der Tariferhöhung für die Beamten ansprechen: die Attraktivität eines Studiums beeinflusst das nicht. Einerseits ist eine Berufswahl immer von sehr individuellen Gründen geprägt. Und andererseits ist das Besoldungsniveau und - das sollte man nicht vergessen - die soziale Absicherung auch für künftige Hochschulabsolventinnen und -absolventen attraktiv genug, um sich für eine Beamtenlaufbahn zu bewerben.
Ich weiß, dass wir für die anstehenden großen Herausforderungen auch qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen. Und die Motivation hängt natürlich auch davon ab, dass die Bezahlung angemessen ist. Gleichzeitig gehört es zu einer verantwortungsvollen Politik, die Finanzen nicht aus dem Blick zu verlieren. Wir müssen die Schuldenbremse bis 2020 einhalten. Und wir stehen vor großen Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Bildung, Vorbeugung und Familie. Um Einsparungen kommen wir da nicht herum. Wir sparen mit Augenmaß, wir schauen uns jeden Fachbereich und alle Aufgaben an. Den Personalbereich können wir nicht ausklammern, denn er macht über 40 Prozent des Landeshaushalts aus. Das haben wir nie verschwiegen.
Wenn nun eine 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses der Angestellten auf die Beamten und Pensionäre würde für den NRW-Haushalt 2013 und 2014 Mehrkosten von mehr als 1,3 Milliarden Euro bedeutet hätte, halte ich es für nötig, darüber nachzudenken, ob das finanziert werden kann und ob es Alternativen gibt. Was wären die Alternativen? Es müssten zigtausend Stellen gestrichen werden, um die Mehrkosten der vollen Besoldungsanpassung auszugleichen. Weil wir unmöglich im gleichen Umfang Leistungen und Aufgaben zurückfahren können, wäre zwangsläufig eine sehr viel höhere Arbeitsbelastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Folge. Das wollen wir nicht. Andere Forderungen lauteten, Kürzungen von Pensionen oder Weihnachtsgeld, Beförderungsstopps, noch längere Arbeitszeiten oder etwa Heraufsetzung des Pensionsalters. All das halten wir weder für sozial ausgewogen noch für zielführend, wenn es um motivierte Beschäftigte geht. Wir wollten, dass keine Kollegin und kein Kollege weniger verdienen wird und Sonderzahlungen unangetastet bleiben. Und wir wollten am Prinzip der Beschäftigungssicherung festhalten und stellen uns darum gegen eine Rasenmäher-Personalkürzung und Arbeitsverdichtung.
Sehr geehrter Herr Weber, ich weiß, dass die Inflation nicht an den Besoldungsgruppen A13 und höher spurlos vorbei geht. Mir ist darum sehr wichtig, Ihnen die Argumente und die schwierigen Alternativen aus meiner Sicht darzustellen und Ihnen zu erläutern, dass die Entscheidung uns und mir ganz persönlich nicht leicht gefallen ist.
Freundliche Grüße,
Svenja Schulze