Frage an Sven Wiertz von Martin B. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Wiertz,
da wir bereits viele Jahre im Ausland leben, aber immer noch in Solingen Familie regelmaessig besuchen, faellt mir die mangelnde Stadtentwicklung vielleicht besonders auf. Manche Teile der Solinger Innenstadt sind wie verlassen (Stichwort: Fussgaengerzone mit vielen Leerständen) In anderen Innenstadtbereichen, wie der Konrad-Adenauer Strasse habe ich den Eindruck durch einen Migrantenstadtteil zu spazieren. Meine Familie wohnt seit 120 Jahren auf der Cronenbergerstrasse, die einst eine respektable Gegend war, nun aber kein attraktives Wohngebiet mehr ist, da die Gegend von vielen sehr einkommensschwachen Menschen bewohnt wird. Mir faellt dies besonders auf, da wir dort Wohneigentum vermieten und sich nur schwer Nachmieter fuer diese Gegend finden lassen. Solingen investiert in die Innenstadt, doch die Mehrheit der Bewohner verlangt scheinbar nach 1-Euro-Geschaeften. Das neue Grossprojekt am Graf-Wilhelm Platz wird ebenfalls lediglich eine Verlagerung von einigen Geschaeftsraeumen bedeuten, aber keine wesentliche Aenderung der Solinger Struktur herbeiführen. Andere Staedte in NRW haben sich eindeutig besser entwickelt als Solingen. An die in der Presse veroeffentlichten Staedterankings unterschiedlichster Art will ich erst gar nicht erinnern. - Die Grossstadt Solingen ist nie dabei! - Unsere Nachbarn in Langenfeld sind schuldenfrei waehrend Solingen in den Schulden versinkt. Was tun SIE, um unsere Stadt voranzubringen oder raten Sie mir eher den Besitz zu verkaufen, weil es weiter abwärts gehen wird. Die letzten 40 Jahre Stadtentwicklung sind kein Beispiel, von dem wir lernen koennen.
Mit freundlichen Gruessen,
Martin Buchmueller
Sehr geehrter Herr Buchmüller,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte, wobei ich zu Beginn darauf hinweise, dass die Stadtentwicklung eine der kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben ist. Sie obliegt der Stadt - also Verwaltung und Rat - im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbestimmungen des Landes und des Bundes. Ich möchte Ihnen an einigen Beispielen erklären, wie die Bundespolitik die Entwicklungstendenzen in unseren Bergischen Städten aufgreifen und mit gestalten helfen kann.
Strukturwandel - Das Bergische erlebt einen tiefgreifenden Strukturwandel. In den zurückliegenden zwei Jahrzehnten hat es einen dramatischen Verlust industrieller Arbeitsplätze gegeben ohne dass in vergleichbarem Umfang neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Im Bergischen Städtedreieck haben sich die Städte, die Stadtsparkassen und die Industrie- und Handelskammer dazu entschlossen, die Struktur- und Förderpolitik regional zu bündeln. In Nachfolge der REGIONALE 2006 wurde die Bergische Entwicklungsagentur GmbH (BEA) gegründet. In den zurückliegenden Monaten hat sich die BEA eingehend mit der Stellungnahme zur künftigen Förderperiode der Europäischen Union befasst, die 2014 beginnen wird und einen Zeitraum bis 2020 umfassen wird. Das betrifft die Förderprogramme EFRE (=Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung) und ESF (=Europäischer Sozialfonds). Sie können diesen Bericht, an dem ich habe mitwirken dürfen, unter dem Link http://www.bergisches-dreieck.de/fileadmin/user_upload/wirtschaftsregion/PDFs/Stellungnahme_Konsultationsverfahren.pdf einsehen. Als Abgeordneter möchte ich diese Themenschwerpunkt in den kommenden vier Jahren im Bundestag in enger Abstimmung mit den regionalen Akteuren verfolgen. Die Förderprogramme ermöglichen Impulse für die lokale und regionale Wirtschaftsentwicklung.
Städtische Finanzen - Alle drei Bergischen Städte sind hochverschuldet. Gegenwärtig belaufen sich die kurzfristigen Kredite zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit in Remscheid, Solingen und Wuppertal auf insgesamt 2,6 Milliarden Euro. Das ist eine enorme Belastung, die zur Zeit durch niedrige Zinsen noch gering ausfällt, die jedoch bei einer Zinssteigerung wie eine Zeitbombe wirken wird. Die Städte haben durch eigene Konsolidierungskonzepte der Entwicklung entgegengewirkt. Wegbrechende Gewerbesteuererträge auf der einen Seite und steigende Sozialaufwendungen auf der anderen Seite haben jedoch gezeigt, dass die Haushaltsprobleme der Städte im Bergischen wie im Ruhrgebiet nicht ausschließlich aus eigener Kraft bewältigt werden können. NRW hat mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen ein Hilfsprogramm aufgelegt, dass den von Überschuldung bereits betroffenen (bspw. Remscheid und Wuppertal) oder bedrohten (bspw. Solingen) Städten zins- und tilgungsfreie Finanzierungshilfen zusichert, um im ersten Schritt die Jahresfehlbeträge zurückzuführen. Dieses Ziel wird in den drei Städten erreicht. Das Land NRW und die Städte haben damit ein Fundament gelegt, bei dem nun auch der Bund einen Beitrag leisten muss. Die Übernahme der Leistungen zur Grundsicherung im Alter ist bei weitem nicht ausreichend. Als weitere Maßnahme müssen die Leistungen zur Eingliederung von Menschen mit Behinderungen auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und vom Bund finanziert werden. Das entlastet die städtischen Haushalte spürbar und trägt dazu bei, kommunale Handlungsspielräume zurückzugewinnen. Als Politiker mit starkem kommunalen Bezug liegt mir die Lösung der Haushaltsprobleme unserer Städte sehr am Herzen. Meiner Meinung nach sind die Gemeinden die Wurzeln unseres Staates, wenn es uns nicht gelingt, die drängenden Probleme vor Ort zu lösen, werden weitere Fehlentwicklungen folgen.
Wohnen - Die gegenwärtige Bundesregierung hat die Städtebauförderung zusammengestrichen. Eine SPD-geführte Regierung wird sie wieder verlässlich ausstatten. Die Förderprogramme "Stadtumbau West" und "Soziale Stadt" müssen wieder verstetigt werden, um Städten zu helfen, ein aktives Stadttei- und Quartiersmanagement aufzubauen. Das bedeutet konkret, dass die kommunalen Eigenanteile bei Städten in Finanznot durch einen Bundesfonds aufgebracht werden, da ansonsten den Städten mit den größten Handlungsbedarfen eine Teilnahme an den Projekten versagt bliebe. Zugleich möchte ich mich für die Stärkung kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus einsetzen, der sich im Bergischen als wichtige Säule des Mietwohnungsmarktes bewährt hat. Die zunehmende Anzahl sog. "Schrottimmobilien" - unbewohnte und verfallene Gebäude in privater Hand - muss von der Bundespolitik als Problem verstanden werden. Ich unterstütze die Initiative von NRW-Städtebauminister Groschek, durch Änderung und Ergänzung des Baugesetzbuches bessere Möglichkeiten zu schaffen, hier im Sinne des Allgemeinwohls eingreifen zu können.
Infrastruktur - Für das Bergische ist eine intakte Infrastruktur lebenswichtig. Die Sanierung der Müngstener Brücke ist ein erster Schritt, der gegenüber der Deutschen Bahn hart erstritten werden musste. Nun müssen auch die weiteren Probleme aufgegriffen werden, bspw. die Sanierung der Bahntunnel. Wir brauchen ein Konzept für durchgehende Bahnverbindungen Düsseldorf, Köln und Hagen. Für die dafür erforderlichen Investitionen in das Schienennetz möchte ich mich in Berlin stark machen. Die Sanierung der Fernstraßen (bspw. der Rheinbrücke bei Leverkusen) darf nicht weiter aufgeschoben werden. Nordrhein-Westfalen muss vom Bund endlich wieder den ihm zustehenden Betrag für Sanierung und Instandhaltung erhalten. Schnelles Internet muss besser und überall verfügbar sein. Wohnen, Leben und Arbeiten werden so besser verknüpft und stärken damit den Standort Bergisches Städtedreieck.
Ich freue mich über eine Rückmeldung. Sie können mich unter meiner eMail-Adresse sven.wiertz@svenwiertz.de oder über mein Facebookprofil http://www.facebook.de/svenwiertz2013 erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Wiertz