Frage an Susanne Mittag von Dietmar S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Mittag,
Sie sind u.a. auch im Vorstand des Deutschen Schützenbundes als Vizepräsidentin Bildung verantwortlich. Demnächst ist die Abstimmung zur Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie in Deutschland anhängig. In der Expertenanhörung wurde nicht zuletzt aus berufenen Fachkreisen der Polizei deutlich verneint, daß die über die Vorgaben der Richtlinie mehr als deutlich hinausgehenden Verschärfungen deutscher Lesart keinerlei weiteren Sicherheitsgewinn in unserem Land bringen. Es würde u.a. nur sinnlose zusätzliche und kaum zu überwachende Bürokratie mit Kosten im zweistelligen Millionenbreich verursacht. Noch dazu haben BMI Seehofer und sein Staatssekretär Mayer "nicht ganz korrekte" Angaben zu den Fakten gemacht. Ganz nebenbei beobachte nicht nur ich sondern viele im Ehrenamt der Vorstandsarbeit in einem Schützenverein tätige zunehmend enorme Probleme in der Nachwuchsgewinnung, da durch die andauernde politische Diskussion, die leider auch eine entsprechend negativ einseitige Medienbegleitung erfährt, Legalwaffenbesitzern/Schießsport betreibenden zunehmend ein Ruch erwachsen ist, der es nahezu unmöglich macht, unbedarften Eltern die positive Entscheidung zu fällen, dem Wunsch und Interesse ihrer Kinder am Sportschießen unterstützend zu folgen. Wie stehen Sie zur Thematik, insbesondere zur Umsetzung der EU-Waffenrichtlinie?
Sehr geehrter Herr Schmutzer,
ich danke Ihnen für Ihre Post. Sie haben mich angeschrieben, um Ihrem Unmut über die anstehende Waffenrechtsänderung Ausdruck zu verleihen. Ich finde es gut, dass Sie sich für den Prozess interessieren und sich inhaltlich einbringen. Tatsächlich waren manche der Urteile, die nach Einreichen des Gesetzes durch das Ministerium über das Gesetz, den Weg dorthin und die Mitwirkenden darin gefällt wurden, dennoch etwas vorschnell. Wir hatten ja erst die 1. Lesung, was einer Vorstellung des Gesetzes entspricht, um danach in die Verhandlungen zu gehen.
Um uns ein umfassendes Bild zu machen fand am 11. November 2019 eine Öffentliche Sachverständigenanhörung statt. Danach haben wir mit dem Koalitionspartner in mehreren längeren Gesprächen ausführlich und intensiv über praxisorientierte Änderungen des Gesetzentwurfes beraten. Die Beratungen sind nunmehr abgeschlossen und der Gesetzentwurf wurde am 13. Dezember im Plenum des Deutschen Bundestages beschlossen. Uns war bei den Beratungen sehr wichtig, dass wir den Sicherheitsaspekt in den Vordergrund stellen und vor allem Extremisten und Verfassungsfeinde entwaffnen. Es ging keinesfalls darum, Sportschützen einem „Generalverdacht“ auszusetzen, wie dies vielfach kritisiert worden war, sondern im Gegenteil: Künftig gilt für sie mehr Verlässlichkeit, Rechtssicherheit und Praktikabilität.
Ich möchte Ihnen im Folgenden kurz die vereinbarten Änderungen zum Gesetzentwurf darstellen.
Wir haben uns mit dem Koalitionspartner und dem Bundesinnenministerium darauf geeinigt, dass Bedürfnisprüfungen (§§ 4 und 14 WaffG-E) bezüglich Fortbestehens (nicht bezüglich Erwerbs) einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach fünf und nach zehn Jahren erfolgen sollen (entgegen der bisherigen Dreijahresregelung). Dabei sollen die Sportschützen in den letzten beiden Jahren vor der Prüfung (also für die Jahre 4 und 5 sowie 9 und 10) folgende Schießtrainings nachweisen: Mit einer erlaubnispflichtigen Waffe mindestens einmal im Quartal oder sechsmal verteilt über ein Jahr. Dies gilt pro Waffengattung, der Nachweis muss also einmal für Kurz- und einmal für Langwaffen erfolgen. Wie ursprünglich vorgesehen bleibt es dabei, dass nach zehn Jahren künftig die Mitgliedschaft in einem Schießsportverein ausreicht, um das Fortbestehen des Bedürfnisses zu begründen.
Auf die Gelbe Waffenbesitzkarte wird es künftig eine Begrenzung auf zehn Waffen geben, es sei denn der Sportschütze kann einen höheren Bedarf gesondert nachweisen. Weitere Waffen kann der Sportschütze ggf. mit gesondertem Bedürfnisnachweis über die Grüne Waffenbesitzkarte erwerben.
Zur Prüfung der Erlaubnis bei Erstantrag oder Folgeprüfung kann die Waffenbehörde künftig zur Sachverhaltsaufklärung in begründeten Einzelfällen künftig auch das persönliche Erscheinen des Antragstellers oder Erlaubnisinhabers verlangen. Dies insbesondere, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit oder der persönlichen Eignung bestehen.
Geeinigt haben wir uns auch darauf, dass bis Ende 2025 die Bescheinigung über das Bestehen des Bedürfnisses durch die Vereine erfolgen kann, danach nur noch durch die Verbände. Die Verbände benötigen eine Übergangsfrist zur Herstellung der technischen und personellen Kapazitäten.
Seit Jahren hat sich die SPD wiederholt für die Einführung einer Regelabfrage bei den Verfassungsschutzämtern eingesetzt, nun haben wir uns auf einen Vorschlag unserer Bundesjustizministerin Christine Lambrecht geeinigt. Wir wollen damit den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor dem Missbrauch von Waffen verbessern. Hierzu soll zum einen § 5 des Waffengesetzes, der die waffenrechtliche Zuverlässigkeit betrifft, in doppelter Hinsicht verschärft werden: Zum einen soll künftig bereits die bloße Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung (auch, wenn diese noch nicht verboten ist) in der Regel zur Unzuverlässigkeit führen. Dadurch soll der Zugang von Extremisten zu Schusswaffen erschwert werden. Zum anderen werden die Waffenbehörden verpflichtet, im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung vor Erteilung einer Erlaubnis sowie bei Folgeprüfungen (alle drei Jahre) bei den zuständigen Verfassungsschutzbehörden abzufragen, ob bezüglich des Antragstellers Anhaltspunkte für das Verfolgen extremistischer Bestrebungen bestehen (Regelabfrage). Dies gilt künftig auch für den nicht gewerblichen Bereich bezüglich sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse. Die abstrakte Gefahr, dass terroristische Gewalttäter oder Straftäter über berechtigte Personen in den Besitz von Spreng- und Zündmitteln gelangen könnten, besteht prinzipiell auch im Bereich der nicht gewerblichen Erlaubnisse. Werden derartige Erkenntnisse zu einem späteren Zeitpunkt erlangt, müssen die Verfassungsschutzbehörden die Waffenbehörden darüber unterrichten, so dass diese bereits erteilte Erlaubnisse aufheben können (Nachberichtspflicht).
Die grundlegenden Regelungen über die sicherheitstechnischen Prüfungen von Schießstätten werden künftig im Waffengesetz selbst geregelt (§ 27a WaffG-neu). Uns war dabei sehr wichtig, dass wir endlich – nach mehr als einem Jahrzehnt der Blockade in dieser Frage - eine neue Regelung bezüglich der Schießstandssachverständigen treffen, denn im Regierungsentwurf war hierzu keine Änderung mehr vorgesehen. Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass den sehr unterschiedlichen Bedarfen der Länder entgegengekommen wird. Wir schaffen jetzt eine Länderöffnungsklausel, wonach die Länder eigene Regelungen für die Anerkennung als Schießstandssachverständiger erlassen können. Hintergrund für diese Regelung ist, dass sich zum einen der Bedarf an zusätzlichen Schießstandssachverständigen in den Ländern stark unterscheidet. Zum anderen bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der vorherrschenden Art an Schießständen. Wir stellen dabei sicher, dass nur Personen ernannt werden dürfen, die durch eine Prüfung die entsprechenden hinreichenden Kenntnisse nachgewiesen haben. Falls die Länder diese Möglichkeit nicht nutzen, gilt die bisherige Bundesregelung der entsprechenden Verordnung weiter.
Wir schaffen eine kurzzeitige Ausnahme von den elektronischen Anzeigepflichten im Bereich Überlassung und Erwerb zwischen zwei Inhabern einer Erlaubnis nach § 21 Absatz 1 Satz 1 für einen kurzen Zeitraum, um etwa einen Reparaturbedarf seitens eines Herstellers zu prüfen; anschließend erfolgt die Rücküberlassung und der Rückerwerb. Nimmt der Inhaber der Erlaubnis, der den kurzfristigen Besitz ausübt, Veränderungen an der Waffe vor, sind diese, wie auch die Grundgeschäfte Überlassung und Erwerb, nach den allgemeinen Bestimmungen elektronisch anzeigepflichtig. Die Regelung soll es Waffenherstellern oder -händlern jedoch ermöglichen, bei Fällen der kurzzeitigen Überlassung im gewerblichen Bereich in bewährter Weise Buch zu führen.
Eine weitere Änderung am Regierungsentwurf nehmen wir bezüglich der Nachtsichttechnik vor. Es ist im Gesetzentwurf vorgesehen, die Nutzung von Nachtsichttechnik für Jäger zu erleichtern. Inhabern eines gültigen Jagdscheins wird ermöglicht, Nachtsichtvorsätze und Nachtsichtaufsätze für Zielfernrohre zu erwerben, zu besitzen und einzusetzen. Dies umfasst auch die sogenannten „Dual-use-Vorsatzgeräte“, die sich nicht nur auf Zielfernrohre, sondern auch auf verschiedene andere Arten optischer Geräte aufsetzen lassen. Ziel der Gesetzesänderung ist es, eine effizientere Bekämpfung der überwiegend nachtaktiven Schwarzwildpopulation zu ermöglichen. Wir haben uns in den Beratungen darauf geeinigt, dass auch dem Handel eine Erlaubnis zum Vorführen, Montieren oder Einschießen dieser Technik eingeräumt wird. Letzteres geht zurück auf einen Vorschlag des Bundesrates.
Allerdings weisen wir in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass bei Nutzung dieser Technik möglicherweise noch erhebliche Gefahren bestehen können (Hinterlandgefährdung durch Querschläger, ein eingeschränktes Sehfeld, Treffpunktabweichungen). Wir fordern daher bei der waffenrechtlichen Freigabe der Nutzung durch Inhaber eines gültigen Jagdscheins die Beachtung besonderer Sicherheits-anforderungen bezüglich der Anwendung dieser Technik bei der Jagd. Bestehende jagdrechtliche Verbote der Nutzung von Nachtsichttechnik bleiben von der geplanten Regelung ausdrücklich unberührt. Bei einer eventuellen jagdrechtlichen Freigabe durch die Bundesländer sollte diesen Sicherheitsanforderungen Rechnung getragen werden, indem ein verpflichtendes Genehmigungsregime – Mindestvorgaben hinsichtlich der Qualität der Geräte und der Qualifikation des Jägers – in den jeweiligen Kommunen eingerichtet wird. Diesbezüglich verweisen wir nachdrücklich auf ein geplantes Modellprojekt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, welches die Chancen und Risiken der Nutzung von Nachtsichttechnik bei der Schwarzwildjagd untersuchen soll.
Wir werden die bereits bestehende Befugnis der Länder, an bestimmten öffentlichen Orten und Einrichtungen Waffenverbotszonen einzurichten, erweitern. So soll die Einrichtung von Verbotszonen für Waffen, aber auch für Messer, künftig nicht nur an Kriminalitätsschwerpunkten, sondern unter anderem auch an belebten öffentlichen Orten und in Bildungseinrichtungen ermöglicht werden. In solchen Zonen soll das Mitführen von allen Messern mit einer Klingenlänge von über 4 Zentimetern verboten werden, auch wenn diese nicht unter das Waffengesetz fallen. Allerdings müssen die Rechtsverordnungen Ausnahmen von den Verboten für Fälle vorsehen, in denen für das Führen eines Messers ein berechtigtes Interesse vorliegt. Dies ist beispielsweise bei Inhabern waffenrechtlicher Erlaubnisse, aber auch im Zusammenhang mit der Berufsausübung oder der Brauchtumspflege der Fall. So wollen wir eine Ahndung alltäglicher Verhaltensweisen vermeiden.
Keine Änderung am Regierungsentwurf werden vorgenommen bezüglich der vor allem seitens der Sportschützen erheblich kritisierten Regelungen bezüglich der Magazine. Hintergrund für die Kritik ist, dass keine Ausnahme für die Vorbereitung zur Teilnahme an internationalen Wettbewerben des IPSC-Schießens vorgesehen ist. Um den Sportschützen hier weiterzuhelfen, haben wir für den Bericht des Innenausschusses einen Passus vorgesehen, wonach festgehalten werden soll, dass Sportschützen, die an bestimmten Schießwettbewerben im Ausland teilnehmen, ein Bedürfnis für den Erwerb und Besitz der künftig verbotenen Magazine mit hoher Ladekapazität haben können. Wir wollen daher im Bericht das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, im Rahmen der Fachaufsicht bitten, über das Bundeskriminalamt darauf hinzuwirken, dass in Fällen, in denen ein Sportschütze nachweist, die betroffenen Magazine für die Vorbereitung auf oder die Teilnahme an entsprechenden Wettbewerben zu benötigen, eine Ausnahmegenehmigung nach § 40 Absatz 4 des Waffengesetzes erteilt werden kann.
Wie bereits dargestellt, ist uns der Sicherheitsaspekt und die Entwaffnung von Extremisten, Verfassungsfeinden und Straftätern ein besonderes Anliegen bei dieser Reform des Waffenrechts. Wir konnten daher erreichen, dass wir dies im Ausschussbericht besonders hervorheben, eine zusätzliche und noch zu prüfende rechtliche Änderung in Hinsicht auf die mögliche Ausweitung individueller Waffenführverbote war im geplanten Zeitrahmen leider noch nicht möglich.
Wir betonen im Ausschussbericht die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten, gegen Straftäter ein Verbot des Umgangs mit Waffen zu verhängen. Ein solches kann bereits nach geltendem Recht etwa durch die Waffenbehörde nach § 41 des Waffengesetzes oder durch das Gericht bei Verhängung einer Bewährungsstrafe als Weisung nach § 56c Absatz 2 Nummer 4 des Strafgesetzbuchs ausgesprochen werden. Diese rechtlichen Möglichkeiten sollten intensiver genutzt werden, etwa durch eine engere Zusammenarbeit von Strafverfolgungs- und Waffenbehörden. Außerdem stellen wird klar, dass verstärkt gegen die Verbreitung von Anleitungen zur illegalen Herstellung von Schusswaffen vorgegangen werden sollte. Die Herstellung einer Waffe ohne Erlaubnis stellt eine Straftat nach § 52 Absatz 3 Nummer 2 des Waffengesetzes dar. Die Verbreitung von Waffenbauanleitungen, die sich erkennbar an Nichtberechtigte richten, kann - je nach Fallgestaltung - beispielsweise die Straftatbestände des § 91 (Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 111 (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten) oder des § 130a des Strafgesetzbuchs (Anleitung zu Straftaten) verwirklichen. Auch hier sollte der Verfolgungsdruck erhöht werden.
Als Mitglied des Innenausschusses und langjährige Kriminalbeamtin habe ich bei den Beratungen des Gesetzes mit Rat und Tat beiseite gestanden. Als Vizepräsidentin des Deutschen Schützenbunds habe ich zugleich sichergestellt, die Verhandlungen nicht zu leiten, damit kein Interessenkonflikt besteht. Mein Innenausschusskollege Helge Lindh hat die Berichterstattung für das Gesetz auf Seiten der SPD-Bundestagsfraktion übernommen und sehr engagiert verhandelt. Ihm sind viele Verbesserungen und Vereinfachungen zu verdanken und ich finde, dass wir mit diesen Änderungen im Waffenrecht eine sehr ausgewogene Neuregelung erreicht haben.
Mit freundlichen Grüßen und den Wünschen für ein friedliches Weihnachtsfest und ein schönes Neues Jahr
Susanne Mittag