Frage an Susanne Mittag von Bernd H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Liebe Genossin Mittag,
Deine Antwort auf meine Frage zum Thema "Diäten" und "Parlamente" lässt mich für die Zukunft schlimmes befürchten (Problembewusstsein?).
Leider bist Du auf die Frage, ob die Höhe der "Diäten" nicht besser von Bevölkerungs-Entscheiden beschlossen werden sollte, nicht eingegangen. Denn Du wirst mir vielleicht zustimmen, dass die Bevölkerung als höchster Souverän sicherlich die allgemeinste "Expertenkommission" ist.
Durch übermäßige Höhe dieser "Entschädigung" steigt aber nicht die "Unabhängigkeit" der Abgeordneten, sondern eher die Abhängigkeit von diesem "Job" und damit von „Partei-und Staatsführung“.
Vielleicht wirst Du mir auch zustimmen, wenn ich behaupte: " Das Sein bestimmt ( ganz wesentlich) das Bewusstsein."
Mein Gegenkandidat in der Spandauer SPD, Swen Schulz ( MdB seit 15 Jahren) schreibt auf seiner Website als Begründung für die Höhe der Diäten u.a. , dadurch sollte es auch „Besserverdienenden“ attraktiv erscheinen, in den Bundestag zu gehen. Aber dies war wohl noch nie ein echtes Problem für Parlamente, denn die oberen 10% finden immer Leute, die sie auch mit "Nebeneinkünften" dort zünftig vertreten. Eher war und ist es ein Problem für "Normalverdiener" und ärmere Leute, sich gegen die um hochdotierte Diäten-Jobs konkurrierenden Akademiker in den Parteien durchzusetzen. Hier würden "normalisierte" Diäten, die sich am Durchschnittseinkommen ( ca 2000 Euro brutto Median) orientieren eher dazu führen, dass sich auch wieder Arbeitnehmer zum Beispiel in der SPD durchsetzen und sich dann als Wähler auch inhaltlich von dieser repräsentiert sähen.
Zur Zeit sind die üppig alimentierten Abgeordneten und hochsubventionierte Staats-Partei-Konzerne offensichtlich nicht mehr glaubwürdig und unabhängig genug, um für rechtsstaatliche Verhältnisse (Diesel,Deutsche Bank,Lux,Cum-Ex,Panama etc) zu sorgen.
Habt Ihr deshalb die Forderung nach bundesweiten Volksabstimmungen aus dem Wahlprogramm gestrichen?
B. H.
Lieber Genosse H.,
in Art. 48 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ist geregelt, dass es für die nähere Ausgestaltung der Abgeordnetenentschädigung eines Parlamentsgesetzes bedarf. Da unser Grundgesetz nur in Ausnahmefällen eine Volksabstimmung vorsieht (Art. 29, 118, 118a, 146 GG), müsste für eine mögliche Volksabstimmung über die Abgeordnetenentschädigung das Grundgesetz geändert werden. Auch in den Verfassungen der Bundesländer, in denen die Möglichkeit zu Volksabstimmungen in einem größeren Umfang als auf Bundesebene gegeben ist, sind Haushalts- und Besoldungsfragen von der direkten Demokratie ausgeschlossen. In Demokratien ist das Volk der oberste Souverän, allerdings übertragt dieser, in unserer repräsentativen Demokratie, seine Souveränität auf für eine bestimmte Zeitdauer gewählte Repräsentanten, sodass das Parlament für diese Zeit zum Vertreter des Souveräns avanciert. Somit empfinde ich die derzeitige Ausgestaltung als legitim.
Wir als SPD stehen Volksabstimmungen allerdings keineswegs generell kritisch gegenüber: In unserem Wahlprogramm haben wir verankert, dass wir direktdemokratische Beteiligungsformen, als Ergänzung zur repräsentativen Demokratie, fördern und stärken wollen. Dazu gehört unter anderem die Weiterentwicklung des Petitionsrechts.
Bezüglich der Höhe der Abgeordnetenentschädigung verweise ich auf meine letzte Antwort an Dich. Vor dem Hintergrund der Verantwortung und des Arbeitsaufwandes ist die Höhe der Diäten absolut in Ordnung.
Was ich nicht in Ordnung finde, sind die hohen Nebeneinkünfte mancher Kollegen, die zu eklatanten Interessenskonflikten führen. Beispielsweise haben zahlreiche Landwirte der CDU/CSU-Fraktion keinerlei Interesse daran, den Agrarsektor zu ihren Ungunsten zu verändern, obwohl gerade hier, vor dem Hintergrund nachhaltiger Landwirtschaft, Biodiversität und Artenschutz, ein drastisches Umdenken nötig wäre!
Mit freundlichen Grüßen,
Susanne Mittag, MdB