Frage an Susanne Kieckbusch von Rolf S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Kieckbusch,
eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich mehr Mitspracherecht z.B. auch in Form von bundesweiten Volksentscheiden. Die Grünen haben das zwar in ihrem Programm stehen, aber bisher kaum Versuche gemacht, dies auch umzusetzen.
Weder in der Zeit, als die Grünen an der Bundesregierung beteiligt waren, noch jetzt in der Landesregierung hat sich irgendwas in Richtung Volksentscheid bewegt. Und ich meine damit echte Volksentscheide mit realistischen und auch durchführbaren Quoten, die auch alle politischen Themen umfassen.
Wie wichtig ist Ihnen mehr Bürgerbeteiligung wirklich?
Mit freundlichen Grüßen
Rolf Stangl
Sehr geehrter Herr Stangl,
vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit und der grünen Politik.
Uns Grünen ist eine starke Bürgerbeteiligung sehr wichtig. Das Instrument des Volkswillens sollte wesentlich mächtiger sein, als dies derzeit der Fall ist. Als Parlamentarierin betrachte ich mich als Repräsentantin der Wähler, nicht als ihr Vorgesetzter. In Abstimmungen im Bundestag verhalte ich mich dementsprechend. Gerade deshalb halte ich Volksabstimmungen für ein wertvolles, zusätzliches Instrument, um die Meinung der Bürgerinnen und Bürger zu hören, und dementsprechend zu handeln. In einer Demokratie ist schließlich der Bürger der Souverän, nicht die von ihm Gewählten. Gerade im Bezug auf Sachthemen, die den Menschen besonders am Herzen liegen, halte ich Bürgerbeteiligung und Volksentscheide für eine exzellente Ergänzung zur parlamentarischen Demokratie.
Es ist richtig, dass es bisher auch mit Regierungsbeteiligung der Grünen keine Bewegung in Richtung mehr direkter Demokratie gegeben hat. Um dies zu erreichen, ist eine Verfassungsänderung nötig. Die Initiativen, die hierzu von den Grünen sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene eingebracht wurden, scheiterten jedoch bisher immer an der 2/3 Mehrheit, die hierfür erforderlich ist. Damit braucht eine Verfassungsänderung auch die Stimmen der Opposition. Die hat sich bisher jedoch immer verweigert. In Baden-Württemberg zum Beispiel gab es zu Beginn der laufenden Wahlperiode einige neue Initiativen von grün-roter Seite, damals vor allem um Themen wie Stuttgart 21 im Vorfeld von den Bürgerinnen und Bürgern abstimmen zu lassen. Leider ohne Erfolg. Stuttgart 21 hat deutlich gezeigt, wie wichtig eine Bürgerbeteiligung bereits vor dem Beginn von Großprojekten ist, nicht erst nach der Planfeststellung. Da es sich die grün-rote Landesregierung jedoch zum Ziel gesetzt hat, die Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg zu stärken und eine neue politische Kultur zu entwickeln, hat sie das Amt der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung eingerichtet. Dieses hat zur Zeit Gisela Erler inne.
Gerade auch im europäischen Kontext fordern wir Grüne, dass das bereits 2007 im Vertrag von Lissabon festgehaltene Konzept von mehr Bürgernähe und Partizipation endlich umgesetzt wird. Auch auf EU-Ebene setzen wir uns für die Durchsetzung gesamteuropäischer Volksentscheide ein. Dennoch muss es auch in einer direkten Demokratie Einschränkungen geben: Grundrechte, Minderheitenschutz und Grundprinzipien unserer Verfassung dürfen nicht zur Disposition gestellt werden. Um einen ungehörigen Einfluss von Lobbygruppen zu verhindern, muss zudem ein Transparenzgebot gelten, um der Öffentlichkeit Einblick darin zu geben, welche Gruppierungen bestimmte Gesetzesinitiativen fördern und beeinflussen. Außerdem sollte es auch hier, ebenso wie bei Parteispenden, eine Höchstgrenze für Spenden geben. Wie Sie hoffe ich sehr, dass es in der nächsten Legislaturperiode eine Gesetzesänderung hin zu mehr Bürgerbeteiligung und Volksentscheiden geben wird. Eine starke Grüne Partei wird sich in jedem Falle weiterhin dafür einsetzen. Dafür brauchen wir natürlich auch Ihre Unterstützung.
Herzliche Grüße,
Ihre Susanne Kieckbusch