Wie wollen Sie bzw. Ihre Partei dem Lehrermangel in Berlin begegnen?
Sehr geehrter Herr S.,
Ihre Frage lässt sich nur vielseitig beantworten. Es gibt nicht nur eine Lösung, daher im Folgenden der gesamte Text hierzu aus unserem grünen Wahlprogramm für Berlin.
Kurz vorab: Es gilt sowohl den Beruf an den Schulen attraktiv zu machen bzw. zu halten, so dass er dann studiert wird. Die nächsten Generationen haben eine Vielfalt von Möglichkeiten. Wir haben bereits heute Fachkräftemangel. Die Attraktivität der Arbeit, die Möglichkeiten, Mitsprache und Entlastungen an den Schulen hält die vorhandenen Lehrer*innen an den Schulen und bringt neue hinzu. Es wird um Arbeitsstrukturen und Bezahlung gehen. Es wird auch um das Quereinsteigen von Menschen mit jeweils „nur“ pädagogischen und fachlicher Expertise bzw. nicht in Deutschland gelernten bzw. studierten und gearbeiteten Menschen gehen. Die Vielfältigkeit holt das Leben in die Schule und entlastet das Team. Außerdem wird es verstärkt um außerschulische Lernorte gehen, die sich die Schüler*innen erschließen können.
Berlins Schulen brauchen mehr gut ausgebildetes Personal: von Lehrkräften über Erzieher*innen, IT-Unterstützung, Supervision, psychologische Betreuung, Sekretariate, Reinigungskräfte und Hausmeisterei bis zu Quereinsteiger*innen aus verschiedensten Fachrichtungen.
Schule als Team vielfältiger Professionen auf Augenhöhe aufzustellen, entlastet Lehrkräfte und stärkt die Qualität des Lernens. Sonderpädagog*innen, sozialpädagogische Fachkräfte, Schulbegleiter*innen und zukünftig auch Krankenpfleger*innen leisten einen unerlässlichen Beitrag zum inklusiven Lernen. Diversität im Team Schule ist für uns ein wichtiges Ziel.
Die breite Lebenserfahrung und diverse kulturelle Hintergründe von Quereinsteiger*innen sind hierbei ein Gewinn. Ihrer pädagogischen Qualifizierung und Ausbildung für die Arbeit mit Schüler*innen muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie unterscheidet sich von der Ausbildung von Lehramtsanwärter*innen mit einem 1. Staatsexamen oder vergleichbaren Abschlüssen.
Um sie für unsere Schüler*innen nutzbar zu machen, verbessern wir den Zugang von Menschen aus anderen Fachrichtungen oder mit ausländischen Abschlüssen zum Schuldienst. Wir wollen die professionelle Vielfalt und das Spektrum der Perspektiven aber nicht nur in die Schulen holen, sondern sie für die Schüler*innen auch an außerschulischen Lernorten erlebbar machen. Daher sollen zum Beispiel kulturelle Bildung, die Zusammenarbeit mit Künstler*innen und Besuche in Kulturorten fest im Rahmenlehrplan verankert werden.
Die Kernaufgabe von Lehrkräften ist guter Unterricht. Die Arbeitszeiten von Lehrkräften sollten Platz für Elterngespräche, Teamsitzungen, Fortbildungen und Supervision lassen. Bei steigendem Personal und ausreichend Schulplätzen wollen wir zudem die Stundendeputate verringern und die Größe von Klassen verkleinern.
Wir wollen Schulleitungen besser für ihre vielfältigen Aufgaben qualifizieren und sie entlasten, indem wir sie und ihre Kollegien bei Verwaltungs-, Vernetzungs- und Entwicklungsaufgaben durch zusätzliche Verwaltungsstellen an allen Schulen unterstützen. Die Schulen sollen ein attraktiver Arbeitsplatz sein. Dazu zählen eine gute Ausstattung und moderne Technik, die funktioniert, wenn es darauf ankommt. Viele Verwaltungsaufgaben können durch neue Programme vereinfacht werden, so dass Lehrer*innen schneller sagen können: „Jetzt habe ich wieder Zeit für meine Schüler*innen.“
Die Zahl der Lehramtsstudienplätze, vor allem im Grundschulbereich, wollen wir unter Wahrung der Studienqualität ausbauen, genau wie die berufsbegleitende Ausbildung von Quereinsteiger*innen, die genug Zeit für das Ankommen und Lernen in der Schule lässt und die mit einer 6-wöchigen Hospitation beginnt.
Auch Absolvent*innen pädagogischer Studiengänge wollen wir den Quereinstieg ins Lehramt ermöglichen. Die Wissensgesellschaft von morgen braucht Lehrkräfte, die auf die vielfältigen Anforderungen dieser Zeit vorbereitet sind. Daher müssen im Lehramtsstudium pädagogische Fragestellungen stärker in den Fokus gerückt werden. Themen wie Inklusion, Vielfalt, Digitalisierung, Demokratiebildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung sollen wesentliche Bestandteile sein. Außerdem soll den Studierenden genug Zeit eingeräumt wer-den, auch frühzeitig praktische Lehrerfahrung zu sammeln. Wir brauchen darüber hinaus Lehrkräfte für Arabisch, Türkisch, Polnisch und weitere Sprachen, damit Schüler*innen auch ihre Herkunftssprachen als zweite und dritte Fremdsprache wählen können. Wir werden den Einstieg von Quereinsteiger*innen und geflüchteten Lehrkräften erleichtern, indem wir den Schuldienst auch für Lehrkräfte mit nur einem Unterrichtsfach öffnen. Wir unterstützen den Vorschlag zur Einrichtung eines Berliner Landesinstitutes, in dem die zweite Phase der Lehrerbildung sowie die Fort- und Weiterbildung zusammengefasst werden. Bestehende Einrichtungen, wie das Zentrum für Sprachbildung und die iMint-Akademie, sollen in das zukünftige Landesinstitut integriert werden. Durch diese Bündelung können eine bedarfsgerechte Steuerung und eine bessere Abstimmung unter Nutzung von Synergien erfolgen. Nur durch kontinuierliche Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals kann eine hohe Unterrichtsqualität gesichert werden. Dazu müssen einerseits die Voraussetzungen geschaffen werden, dass alle Lehrkräfte sich kontinuierlich fort- und weiterbilden können, zum anderen muss diese Möglichkeit aber auch regelmäßig und nachvollziehbar wahrgenommen werden.
Wir wollen Pädagog*innen ermutigen, praktische Ideen zur Verbesserung des Schulsystems und der Schulorganisation, Konzepte zur Unterrichtsentwicklung oder neue Unterrichtsmaterialien zu entwickeln und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Dafür wollen wir die nötigen Voraussetzungen und Freiheiten schaffen.
Um im Wettbewerb um die Absolvent*innen von Lehramtsstudiengängen besser bestehen zu können, wollen wir die Bezüge im Vorbereitungsdienst deutlich erhöhen. Damit gutes Personal auch langfristig in Berlin bleibt, wollen wir für Absolvent*innen, die sich verpflichten, nach dem Referendariat in Berlin zu bleiben, eine attraktive Zulage während des Referendariats zahlen.
Wir brauchen mehr junge Menschen, die Lehrer*innen im MINT-Bereich werden wollen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Das neue Stipendienprogramm wollen wir weiter ausbauen und durch Programme zur direkten Ansprache ergänzen.