Portrait von Susanna Tausendfreund
Susanna Tausendfreund
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Susanna Tausendfreund zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Gerhard Anton E. •

Frage an Susanna Tausendfreund von Gerhard Anton E. bezüglich Staat und Verwaltung

Sehr geehrte Frau Tausendfreund,

die derzeit noch amtierende Bayer. Staatsregierung hat eine ´Große Dienstrechtsreform´ für das Jahr 2010 angekündigt.

Dieses Vorhaben stößt bei mir - vorsichtig formuliert - auf ablehnende Skepsis. In den vergangenen Jahren wurde bereits mehrfach am Dienstrecht herum gebastelt (hier nur einige Stichworte: 42 Stundenwoche, diverse Änderungen der Beihilfevorschriften, Einführung eines ´Leistungsprinzips´ - von den Betroffenen auch als ´Windbeutelprinzip´ verspottet).

Ich befürchte bei der angekündigte Dienstrechtsreform ein weiteres Abgleiten in ein ´Dienstrecht nach Gutsherrenart´. Dafür spricht auch, dass die Details dieser Reform erst nach der Landtagswahl 2008 veröffentlicht werden sollen.

Nun meine Frage:

1. Benötigt der Öffentliche Dienst im Freistaat Bayern nach Ihrer Auffassung eine Dienstrechtsreform?

2. Wenn ´Ja´, bitte nennen Sie mir Ihre drei bevorzugten Prioritäten für diese Reform.

3. Wie wollen Sie sicherstellen, dass die politische Unabhängigkeit des Öffentlichen Dienstes im Freistaat Bayern erhalten bleibt?

Für ihre freundliche Antwort bedanke ich mich bereits heute.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Anton Eiwen

Portrait von Susanna Tausendfreund
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Eiwen,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Reform des öffentlichen Dienstrechts.

Zu 1. + 2.

Die Staatsregierung hätte vor der Landtagswahl im September genauere Informationen auf den Tisch legen müssen, wohin die Reise beim Dienstrecht geht. Das wird sie erst nach der Wahl festlegen. Dann erst wird sich herausstellen, inwieweit die Anregungen der Verbände und Betroffenen ernst genommen werden. Die Stellungnahmen der Verbände zur ersten Fassung der Eckpunkte der Staatsregierung haben jedenfalls kaum zu Veränderungen der Pläne geführt.

Ich denke, dass eine Reform benötigt wird, mit der u.a. Laufbahngruppen und die Festlegung unterschiedlicher Einstiegsebenen in Abhängigkeit von der Vor- und Ausbildung abgeschafft und echte Leistungsanreize gegeben werden. Außerdem sollte die 42-Stunden-Woche für Beamte auf zumindest 40 Stunden reduziert werden, was allerdings nicht in Planung ist.

Gestatten Sie mir, über die von Ihnen gewünschten Prioritäten hinaus etwas ausführlicher auf die Dienstrechtsreform einzugehen.

Eine gute Grundlage für eine Reform des Dienstrechts wäre das Eckpunktepapier, das 2004 vom ehemaligen Bundesinnenminister Schily, Beamtenbundchef Heesen und dem ver.di-Vorsitzenden Bsirske auf gleicher Augenhöhe verhandelt wurde, aber leider in der Versenkung verschwunden ist. Nicht nur bei der Frage der Einbeziehung der Betroffenen ist dieses Papier meines Erachtens vorbildlich, auch die Inhalte sind wegweisend.

Nach 30 oder mehr Berufsjahren darf der berufliche Aufstieg nicht mehr vom Schulabschluss abhängen. Variable Leistungselemente bieten die Möglichkeiten, Leistungen zeitnah zu honorieren. In einer geplanten Größenordnung von 60 Millionen Euro sind das allerdings, wenn 30 % diese erhalten, nur etwa 1.000 Euro pro Jahr. Ob dies tatsächlich ein großer Leistungsanreiz ist, wage ich zu bezweifeln.

Bei der leistungsbezogenen Bezahlung wird es nicht nur Gewinner geben. Das System der Leistungsfeststellungen muss deshalb absolut transparent und für die Betroffenen nachvollziehbar sein. Dies halte ich nach den bisherigen Plänen für nicht ausreichend gewährleistet.
Die Leistungshonorierung muss zeitnah erfolgen, um einen Anreiz darzustellen. Auch dies ist nicht gewährleistet. Bei den angekündigten Verbesserungen der Beförderungsmöglichkeiten müssen die Beamtinnen und Beamten in vielen Fällen sehr lange warten, bis ihre Leistung honoriert wird. Die neu zu schaffenden Beförderungsmöglichkeiten für Volks- und Realschullehrer, auch wenn keine besonderen Funktionen ausgeübt werden, sind überfällig. Damit wird es aber noch lange nicht genügend Lehrer geben.

Zu befürchten ist nach den Plänen der Staatsregierung, dass die Hürden an den Schnittstellen der bisherigen Laufbahngruppen auf keinen Fall niedriger werden, sondern eher noch höher. Aus den Laufbahngruppen werden Qualifikationsebenen, die nur nach Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen mit anschließender Prüfung zu erreichen sind.

Ich komme zur Anhebung der Altersgrenze für den Ruhestandseintritt: Diese bedeutet für die Beamtinnen und Beamten wie für Rentner bzw. die Arbeitnehmer: Eine Verlängerung des Renten- oder Pensionseintrittsalters ist nichts anderes als eine Kürzung der Pension oder Rente, also eine Sparmaßnahme.
Es fehlt in den Eckpunkten der Staatsregierung eine klare Position zur Altersteilzeit, was nur bedeuten kann, dass sie schleichend abgeschafft werden soll. Ich möchte die Alterteilzeit jedoch weiterhin und ausgebaut ermöglichen. Seit der Einführung der Altersteilzeit haben z.B. die krankheitsbedingten Vorruhestandsversetzungen deutlich abgenommen.

Ein weiterer Punkt, den ich durchsetzen möchte, ist die Erhöhung der Anwärter- bzw. Referendarbezüge, die erschreckend niedrig sind. Dies ist auch nötig, um gute Nachwuchskräfte zu bekommen. In den nächsten Jahren wird es einen verschärften Wettbewerb zwischen der freien Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst geben. Wenn die guten Leute beim Staat arbeiten sollen, müssen wir hierfür auch etwas tun.

Wenn der Finanzminster in seiner Regierungserklärung formuliert hat, dass die Kosten für die angekündigten Maßnahmen bei rund 240 Millionen Euro liegen, so heißt das noch lange nicht, dass dieses Geld auch eingesetzt wird. Mit wenigen Mitteln könnten ja jetzt schon Verbesserungen eingeführt werden, die die GRÜNEN im Landtag auch immer wieder beantragt haben, wie z.B. die Entschädigung für dienstlich genutzte Privat-Pkw zu erhöhen oder im aktuellen Nachtragshaushalt bescheidene Stellenhebungen zu beschließen, was die Landtagsmehrheit abgelehnt hat.

Zu 3.

Zu dieser Frage möchte ich zunächst anmerken, dass meines Erachtens eine politische Unabhängigkeit des öffentlichen Dienstes nicht immer gewährleistet ist. Wenn der Dienstherr ein bestimmtes Ergebnis erreichen will, gibt es leider immer wieder Beispiele, dass fachliche Argumente in den Hintergrund treten müssen oder engagierte Mitarbeiter "kaltgestellt" werden.

Ich möchte eine größere Unabhängigkeit des öffentlichen Dienstes erreichen. Für Einstellungen und Beförderungen darf nur die fachliche Qualifiakation und die persönliche Eignung zählen. Fachbehörden und Schulen brauchen eine größere Unabhängigkeit und dürfen nicht länger weisungsabhängig sein.

Dass Beamte noch immer nicht streiken dürfen, halte ich für ein Unding.

Mit freundlichen Grüßen

Susanna Tausendfreund
Landtagskandidatin der GRÜNEN in München-Land Süd, Listenplatz 5 in
Oberbayern