Frage an Susanna Tausendfreund von Thomas D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Tausendfreund,
mir geht es um ihre Haltung zu Volksbegehren!
In Bayern werden Bürgerinitiativen oft als unzulässig erklärt oder die Unterschriften müssen in sehr kurzer Zeit zusammengetragen werden. Beides führt dazu, dass Volksbegehren meines Erachtens selten erfolgreich sind. Gerade eine direkte Bürgerbeteiligung in Form von Volksbegehren könnte die Politik unseres Landes verbessern und bürgernäher gestalten.
Meine konkrete Frage: Wie werden Sie sich dafür einsetzten, dass es öfter zu (erfolgreichen und zulässigen) Volksentscheiden kommt? Wie könnten die bisherigen Regeln für Volksbegehren im Sinne der Bürger verbessert werden?
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Dörfler
Sehr geehrter Herr Dörfler,
die Stärkung der direkten Demokratie, einer "Mitmachdemokratie", gehört schon lange zu meinen Arbeitsschwerpunkten.
Ich möchte erreichen, dass die bestehenden Hürden beim kommunalen Bürgerentscheid und beim bayernweiten Volksentscheid gesenkt werden. Auch halte ich es für eine demokratische Notwendigkeit, die Bürgerinnen und Bürger bundesweit, z.B. über den europäischen Grundlagenvertrag abstimmen zu lassen.
Mit der öffentlichen Auseinandersetzung zu wichtigen Themen sind die politisch Verantwortlichen nicht nur in der Pflicht, der Bevölkerung komplexe Themen genauer erläutern zu müssen, sondern es wird auch Interesse an der Politik, am Gemeinwohl bei der Bevölkerung geweckt, da sie einbezogen wird. Die Akzeptanz einer breit getragenen Entscheidung ist deutlich höher, als eine "nur" vom Parlament oder der Regierung entschiedenen Frage.
Am Volksbegehren zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids 1995 habe ich bereits mitgewirkt und berate seitdem Bürgerinitiativen in ganz Bayern bei der Durchführung der Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. 1997 wurden leider zwei Bestimmungen dieses neuen Gesetzes vom Bayerischen Verfassungsgericht für ungültig erklärt: 1. die Bindungswirkung eines erfolgreichen Bürgerentscheids von 3 Jahren war den Richtern zu lang und 2. monierten sie das Fehlen eines Quorums. 1998 erfolgte die Verwässerung des Bürgerentscheids durch die CSU-Mehrheit im Landtag, wobei wir durch öffentlichen Druck die sehr weitgehenden Pläne der CSU, den Bürgerentscheid praktisch auszuhebeln, abwenden konnten. Es wurde jedoch das gestaffelte Zustimmungsquorum eingeführt, an dem seither viele Bürgerentscheide scheitern, und die Bindungswirkung wurde auf ein Jahr begrenzt.
Zusammen mit dem Verein Mehr Demokratie, dem ich als Mitglied angehöre, habe ich mich dafür engagiert, dass die beiden Volksbegehren zur Stärkung des kommunalen Bürgerentscheids und zu Stärkung des bayernweiten Volksentscheids auf den Weg gebracht wurden. Beim Richtervolksbegehren (Änderung der Zusammensetzung des Verfassungsgerichts und der des Modus zu Richterwahl bzw. Benennung) gehörte ich dem Koordinationskreis an. Auch weitere Volksbegehren wurden von mir begleitet bzw. unterstützt (z.B. Abschaffung des Senats, Schulvolksbegehren des BLLV, Waldvolksbegehren des BN, Transrapid).
Einige der Volksbegehren scheiterten bereits bei der Überprüfung durch das Bayerische Verfassungsgericht, wie zuletzt das Transrapid-Volksbegehren oder es wurden zusätzliche Erschwernisse wie die Aufspaltung in zwei Volksbegehren mit unterschiedlichen Eintragungsfristen eingebaut.
Durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und Art und Weise des Vollzugs durch das Bayerische Innenministerium sind die bestehenden Hürden für die Volksgesetzgebung nochmals deutlich erhöht worden.
Folgende Änderungen möchte ich herbeiführen:
Beim kommunalen Bürgerentscheid sollte das gestaffelte Zustimmungsquorum gesenkt werden.
Die Regelung, dass Bürgerentscheide nur mit Ausnahmegenehmigung mit Wahlen oder anderen Abstimmungen zusammen durchgeführt werden sollen, möchte ich abändern in den Grundsatz, dass Wahlen und Abstimmungen möglichst zusammengefasst werden sollen.
Beim Volksentscheid sollte die Hürde bei der 14-tägigen Eintragungsfrist von bisher 10 % der Wahlberechtigten auf 5 % gesenkt, die Eintragungsfrist verlängert und die Öffnungszeiten in den Eintragungsräumen erweitert werden. Ideal wäre eine freie Unterschriftensammlung wie beim Bürgerentscheid. Es sollten außerdem Volksentscheide nicht deshalb abgelehnt werden können, weil sie Kosten verursachen bzw. Kosten einsparen und sie somit als Eingriff in das Haushaltsrecht des Landtags gewertet wird.
Die enge Auslegung des sog. Koppelungsverbots von mehreren Themen muss aufgegeben werden, da ein Gesetzesvorhaben meist zwangsläufig mehrere Aspekte berücksichtigen muss.
Volksentscheide sollten außerdem zu einzelnen Sachfragen, nicht nur über Gesetzestexte möglich sein.
Neben der Stärkung der Bürger- und Volksentscheide möchte ich andere Elemente der direkten Demokratie fördern, wie z.B. die Unterstützung für die lokalen Agenda 21-Gruppen, gesetzliche Verankerung von Jugendparlamenten mit eigenen Rechten innerhalb der Kommunen, Bürger-Ideenwerkstätten, Entwicklung von Bürgerhaushalten, mehr Transparenz in den Entscheidungsprozessen etc. Gerade auf der lokalen Ebene kann eine Gemeinde, eine Stadt oder ein Landkreis nur gewinnen, wenn das Engagement und die Kompetenz der Einwohner einbezogen und gewürdigt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Susanna Tausendfreund