Stephanie Otto
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Lukas Z. •

Frage an Stephanie Otto von Lukas Z. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Otto,

im Rahmen unseres Sozialkunde-Leistungskurses beschäftigen wir uns mit der kommenden Bundestagswahl. Um uns als noch unentschlossene potenzielle Neuwähler besser zu informieren, würde ich sie gerne fragen, wie ihre konkreten Ziele zur Bildungs-, Familien- und Arbeitsmarktpolitik aussehen.

Mit freundlichen Grüssen

Lukas Zumsteg

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Lukas,

vielen Dank für deine bzw. eure Frage.

Da deine Frage sehr umfangreich ist, versuche ich einige Punkte, die mir besonders wichtig sind heraus zugreifen.

Bildungspolitik:

Meine Partei und ich halten die frühkindliche Bildung für besonders wichtig. Deswegen möchten wir einen Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige frühkindliche Betreuung und Bildung für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr und ein flächendeckendes, hochwertiges Angebot an Kitas, Kindergärten und echten Ganztagsschulen durchsetzen.

In meiner täglichen Arbeit mit Jugendlichen mache ich immer wieder die Erfahrung das Jugendliche oft sehr kreative und intelligente Lösungen und Ideen haben. Deswegen ist es für mich besonders wichtig, dass die Mitbestimmung der in der Schule Betroffenen -also der SchülerInnen aber auch Eltern- gestärkt werden. Ich denke, wir sollten Kindern und Jugendlichen möglichst lange die Gelegenheit geben sich in einem breit gefächerten Umfeld zu entwickeln. Das heißt, dass Kinder und Jugendliche mindestens bis zur 9. Klasse gemeinsam lernen sollten. Denn die bei uns übliche Einteilung von Kindern nach der vierten Klasse in Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien nimmt vielen Kindern die Chancen und oftmals auch die Motivation sich weiterzuentwickeln. Die Möglichkeiten des „Gemeinsam voneinander lernen“ sind in unserem Bildungssystem unterschätzt. In allen Bereichen unseres Lebens halte ich es für wünschenswert, dass jeder die gleichen Chancen hat. Für Kinder und Jugendliche aber ist es unerlässlich. Leider muss ich in meiner Arbeit als Sozialpädagogin immer wieder feststellen, dass soziale und finanzielle Ungleichheiten zu absolut ungleichen Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern führen. Dem muss entgegengewirkt werden, indem langfristig Kosten für Mittagessen, Schulbücher, aber auch Zirkel und Taschenrechner, die Fahrt zur Schule und Klassenreisen übernommen werden müssen. Den dafür nötigen finanziellen Spielraum möchten wir schaffen indem wir die Erbschaftssteuer umstrukturieren und den Soli zum Teil zu einem Bildungssoli umwandeln.

Dies führt mich zu meinem nächsten Anliegen. Natürlich darf diese gewünschte Gleichbehandlung nach der Schulzeit nicht abrupt stoppen. Das heißt auch der Zugang zur Hochschule muss jedem möglich sein. Deswegen haben wir ein grünes Zwei Säulen Modell - für eine gerechtere Studienfinanzierung ausgearbeitet. Dabei kombinieren wir einen einheitlichen Sockelbetrag, der allen Studierenden elternunabhängig zugute kommt, mit einem Zuschuss für Studierende aus einkommensarmen Elternhäusern. Kindergeld und Elternfreibeträge werden dabei so umgewandelt, dass sie nicht länger an die Eltern, sondern direkt an die Studierenden fließen.

In Sachen Studienqualität wollen wir GRÜNEN nachbessern. So hat die Praxis gezeigt, dass die Einführung von Bachelor und Masterstudiengängen leider nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat und Studierende oftmals unter großen Druck setzt. Studienbedingungen müssen verbessert, Verschulung und Arbeitsüberlastung zurückgenommen, die Gesamtdauer von Bachelor-Studiengängen flexibler gehandhabt und der Wechsel zwischen Hochschulen auch innerhalb Deutschlands erleichtert werden. Dafür ist es auch nötig, dass der Studienplatzabbau gestoppt wird. Wir GRÜNE wollen in den kommenden Jahren mindestens 500 000 zusätzliche Studienplätze schaffen.

Familienpolitik

Familienpolitik ist gerade bei der aktuellen demographischen Entwicklung besonders ernst zu nehmen. Ich kann nicht verstehen wie ein solch wichtiges Thema in dem Kanzlerduell eine so unbedeutende Rolle spielen konnte. Wir GRÜNEN werden nicht hinnehmen, dass Leben mit Kindern ein Armutsrisiko bedeutet und ein Viertel aller Kinder in Deutschland in Armut lebt. Deswegen ist es unerlässlich, dass das Elterngeld weiterentwickelt wird. Familienpolitik bedeutet für mich immer auch Kinderpolitik. Deswegen möchte ich noch erwähnen, dass wir eigenständige Kinderrechte in den Grundrechtekatalog unserer Verfassung aufnehmen wollen. Dies soll den starken Auftrag an die Politik, Prioritäten zugunsten von Kindern zu setzen deutlich machen.

Eine Grundforderung im Bezug auf die Arbeitsmarktpolitik ist die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Es ist nicht zu akzeptieren, dass Menschen Vollzeit arbeiten gehen und von ihrem Lohn trotzdem nicht leben können. Deswegen fordern wir einen Mindestlohn von 7,50 Euro, der von einer unabhängigen Kommission überwacht wird und gegebenenfalls angepasst werden kann.

Außerdem wollen wir mit unserem green New Deal in den nächsten vier Jahren eine Million neuer Jobs schaffen, indem wir Zukunftsinvestitionen vorziehen und die ökologischen und sozialen Schwächen unserer Wirtschaftsordnung beseitigen. Dabei setzen wir auf einen Mix aus klarer Ordnungspolitik, neuen Finanzierungsinstrumenten, veränderten Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt sowie vorgezogenen staatlichen Investitionen. Außerdem wollen , dass es für Langzeitarbeitslose auch öffentlich geförderte Beschäftigung gibt.

Bei der Berufsausbildung ist es uns wichtig, dass das Recht auf Ausbildung umgesetzt wird und sogar Wahlmöglichkeiten entstehen. Mit dem System „Dual Plus“ wollen wir ein triales Ausbildungssystem einführen. Das bestehende „Duale System“ soll um eine dritte Säule, die überbetrieblichen Zentren, erweitert werden. Wir wollen außerdem die Berufsausbildung durch Modularisierung und verbindliche Anerkennung von Teilqualifikationen flexibler für Betriebe und Auszubildende gestalten. In den Branchen in denen unterproportional ausgebildet wird, sollen die Ausbildungskosten durch regionale oder branchenspezifische verpflichtende Umlagesysteme besser zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben verteilt werden. Besonders wichtig ist es mir auch die Rolle von Praktika noch einmal deutlich zu machen, die oftmals eine Form von prekärer Beschäftigung darstellen. Wer ein Praktikum macht, darf nicht ausgenutzt werden, sondern soll die Praxis kennen lernen. Ein Praktikum ist ein Ausbildungs- und kein Arbeitsverhältnis. Wir GRÜNE fordern gesetzliche Mindeststandards wie einen Praktikumsvertrag, Bezahlung von mindestens 300 € monatlich, Anspruch auf Urlaub, eine zeitliche Begrenzung und ein Gütesiegel „Faires Praktikum“.

Ich hoffe ich konnte dir einen kleinen Einblick in die Ideen und Vorstellungen von mir und meiner Partei geben.

Falls doch noch Fragen offen geblieben sind, lade ich dich ein dich nochmals an mich zu wenden oder die Links auf meiner Profliseite durch zu klicken.

Mit grünen Grüßen

Stephanie Otto