Frage an Stephan Thomae von Filippo C. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Thomae,
in der vorletzten Legislatur haben Sie die Reform zum Sorgerecht für unverheiratete Väter rechtspolitisch begleitet. Das Ergebnis war die schwächste mögliche Variante von drei Varianten, die im politischen Prozess diskutiert wurden. Oder einfacher: für Mehr als das Allernötigste hat es nicht gereicht. Auf Ihrer Facebook-Seite erklären Sie in einem Kandidaten-Video, darauf auch noch stolz zu sein – also stolz zu sein darauf, dass Väter nicht automatisch das Sorgerecht erlangen; stolz darauf, dass es dazu immer noch eines Antrages beim Familiengericht bedarf. Offenbar ist in Ihren Augen die leibliche Vaterschaft sowie der erklärte Wille eines Vaters zur Übernahme der Verantwortung nicht hinreichend, um das Sorgerecht zu erlangen.
Gegen diese Haltung wendet sich der Europarat nun erneut, diesmal explizit nicht durch den judikativen, sondern durch den legislativen Arm. Die Parlamentarische Versammlung mit der Entschließung 2079 vom Oktober 2015.
Wie stehen Sie zur Weiterführung der Reform unverheirateter Eltern, hin zum Sorgerecht für alle Väter mit Geburt bzw. Vaterschaftserklärung? Der Europarat fordert die Beseitigung sämtlicher rechtlicher Unterschiede für Eltern im Bezug auf ihre Kinder.
Außerdem: wie gedenken Sie, konkret, die ebenfalls vom Europarat geforderte rechtliche Herstellung des Regelfalls der Doppelresidenz nach Trennung und Scheidung umzusetzen, so wie es ja auch in Ihrem Wahlprogramm belastbar formuliert wurde, und wie es Ihr Partei- und Fraktionsvorsitzender hier erklärt hat: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/christian-lindner/question/2017-09-01/288391?
Sehr geehrter Herr Cardaci,
vielen Dank für ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch.
Ich möchte an dieser Stelle nicht den ganzen Gesetzgebungsprozess der Jahre 2009-2013 wiederholen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, sah der Gesetzesvorschlag Thomae I die sog. Widerspruchslösung vor, also das gemeinsame Sorgerecht bei nichtverheirateten Eltern automatisch mit übereinstimmender Vaterschaftserklärung oder gerichtlicher Vaterschaftsfeststellung plus einseitiger Sorgerechtserklärung des Kindesvaters. Für diesen Lösungvorschlag habe ich in der 17. Wahlperiode von 2009-2013 leider nicht genügend Unterstützung erfahren, weswegen am Ende diese Lösung in der Koalition keine Mehrheit erfahren hat. Stattdessen kam es nur zu der Minimallösung, wie sie heute im Paragraphen 1626 a BGB steht. Ich habe die von mir vorgeschlagene Widerspruchslösung aber in der Partei weiter verfolgt. Sie ist heute Beschlusslage der FDP.
Hinsichtlich des Betreuungsmodelles hätte ich gerne eine (jedenfalls aus meiner Sicht) noch modernere und liberalere Lösung gehabt, nämlich das vollständige Abrücken von jeglichem gesetzlichen Regelfallmodell und die am jeweiligen Einzelfall orientierte, allein am Kindeswohl gemessene Regelung der Betreuung. Soweit wollte die FDP leider nicht gehen, weshalb Beschlusslage nun ist, dass das Gesetz als Regelfall eine paritätische Betreuung vorsehen soll. Das ist immerhin noch besser als die aktuelle Regelung. Im Sondierungsvermerk ist deshalb festgehalten: Wechselmodell als Regelfall. Allerdings gibt es darüber noch keinen Konsens. Die CDU/CSU hat diese FDP-Forderung jedenfalls in der ersten Sondierungsrunde streitig gestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae