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Stephan Thomae
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Frage von Reinhard N. •

Frage an Stephan Thomae von Reinhard N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Thomae,

vielen Dank für ihre Antwort. Zwischenzeitlich ist die Abstimmung ja durch und das Gesetz beschlossen. Eine Frage zum meinem Verständnis habe ich trotzdem noch. Sie schreiben, dass eine Beschneidung immer schon möglich war. Meines wissens war bisher aber immer eine der Voraussetzungen, dass eine medizinische Indikation (abgesehen von den Juden und Muslime) vorliegen musste. Mit dem neuen Gesetz ist es nun aber so, dass Eltern ihr Kind beschneiden lassen können, ohne eine medizinische Indikation, z. B.weil sie es "schick" finden etc. Können sie mir bitte sagen, ob es früher eine medizinische Indikation benötigte oder ob dem nicht so war. Und haben sie eigentlich auch die langfristigen Folgen berücksichtigt. Leider wurden Betroffene konsequent ignoriert und nicht befragt. Können sie mir bitte noch beantworten, ob nicht gerade sie als Gesetzgeber die demokratische Pflicht haben, die für und wieder - unter Berücksichtigung auch allenfalls negativer Aussagen - abzuwägen?

Danke für ihre Antwort,

mit freundlichen Grüssen

Reinhard Niederländer

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Niederländer,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage vom 14. Dezember 2012. Erlauben Sie mir dazu ebenfalls einige Anmerkungen.

Es trifft nicht zu, dass Eltern nach bisheriger Rechtslage nur dann in eine Beschneidung ihrer Söhne einwilligen konnten, wenn diese medizinisch indiziert war. Bis Ende Juni 2012 das Urteil des Kölner Landgerichtes veröffentlicht wurde, war es in der Rechtspraxis unbestritten, dass Eltern grundsätzlich auch in eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung rechtswirksam einwilligen konnten. Allerdings sind Eingriffe am gesunden Körper in besonderer Weise rechtfertigungsbedürftig. Daher erhöhen sich die Anforderungen an die Risikoaufklärung der Eltern, die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in den Eingriff ist, wenn die Maßnahme medizinisch nicht indiziert ist. Dies galt allerdings auch schon nach alter Rechtslage.

Als Berichterstatter der FDP-Bundestagsfraktion für das Familienrecht habe ich sowohl persönlichen als auch schriftlichen Kontakt zu Betroffenen gehabt. Die Aussage, Betroffene seien konsequent ignoriert und nicht befragt worden, entspricht daher nicht der Wahrheit. Vielmehr haben wir als Parlamentarier genau das getan, wonach Sie in Ihrem Schreiben fragen: Wir haben unter Abwägung aller Aspekte eine Entscheidung getroffen. Zu diesem Zweck hat die FDP-Bundestagsfraktion am 16.10.2012 ein fraktionsinternes Fachgespräch geführt. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat zu dem entsprechenden Gesetzentwurf am 26.11.2012 eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Die Sachverständigen, die an beiden Veranstaltungen teilgenommen haben, haben den Gesetzentwurf weit überwiegend befürwortet. Unter den Befürwortern waren auch Mediziner. Am 24.10.2012 habe ich selber an einer Podiumsdiskussion der Humanistischen Union zu diesem Thema in Berlin teilgenommen.

Ich bleibe bei meiner Aussage, dass das Gesetz über die Beschneidung von Knaben bewusst nicht darauf abstellt, dass die Beschneidung aus religiösen Motiven vorgenommen wird. Die Gründe dafür habe ich Ihnen in meinem Schreiben vom 13.12.2012 erläutert.

Das widerspricht aber nicht dem Ziel, dass durch dieses Gesetz die Religionsausübung in Deutschland, wie sie vor dem Urteil des Kölner Landgerichts unbestritten möglich war, auch künftig möglich sein und geschützt werden soll.

Die maßgebliche Klarstellung, die wir mit diesem Gesetz vornehmen, ist folgende: Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll und durch den Eingriff das Kindeswohl nicht gefährdet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Thomae, MdB

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