Frage an Stephan Thomae von Reinhard G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Thomae,
der ESM Vertrag soll „unkündbar“ sein. (Ich halte es grundsätzlich für einen Fehler und außerdem für undemokratisch, überhaupt solche Verträge zu unterzeichnen) Was passiert, wenn ein Land zuerst den ESM-Vertrag unterzeichnet und dann aus der Währungsunion oder gar der EU austritt? Kommt es damit auch aus dem ESM-Vertrag raus?
Finden Sie es nicht undemokratisch, wenn beim ESM nur Vertreter aus denjenigen Ländern mit abstimmen dürfen, die in der Lage sind, bestimmte Auflagen zu erfüllen?
Wird nicht Deutschland, wenn es den ESM-Vertrag unterzeichnet, nicht bald von den Rating-Agenturen herab gestuft werden, da die „Zahlungsfähigkeit“ dadurch sinkt? Was passiert, wenn Deutschland auch unter den „Rettungsschirm“ muss?
Mit freundlichen Grüßen
R.G.
Sehr geehrter Herr Großmann,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 29. Juni 2012. Gerne antworte ich auf Ihre Fragen.
I.
Derzeit kursieren verschiedene Meinungen darüber im Netz, ob ein Kündigungsrecht beim ESM bzw. Fiskalvertrag besteht oder nicht. Der ESM ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Die Kündigung des ESM ist bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage völkerrechtlich möglich, selbst wenn keine Kündigungsklauseln in dem Vertrag enthalten sind.
II.
Grundsätzlich muss man beim ESM zwischen Geberländern und Nehmerländern unterscheiden. Bei der Abstimmung über Auflagen finde ich es richtig, dass nur die Geberländer über die Auflagen abstimmen. Ein Darlehensvertrag, auch ein solcher unter Staaten und internationalen Organisationen, ist ein gegenseitiger Vertrag, in welchem Leistung und Gegenleistung in einem Austauschverhältnis stehen. Der Darlehensgeber gewährt dem Darlehensnehmer einen Kredit – der Darlehensnehmer hat gegenüber dem Darlehensnehmer die vertraglichen Bedingungen (Zinsen, Tilgungen, Sicherheiten) zu erfüllen.
III.
Die Gefahr, dass Deutschland von Ratingagenturen herabgestuft wird, besteht immer. Am 27. Juni 2012 drohte die amerikanische Ratingagentur Moody´s mit der Herabstufung Deutschlands. Ich finde, dass man das Ranking von Ratingagenturen nicht überbewerten sollte. Moody´s analysiert die Finanzkraft von Unternehmen, öffentlichen Schuldnern und Staatshaushalten. Wie viel die Ratingagenturen von öffentlichen Staatshaushalten verstehen, untersucht dabei keiner. Ebenso gibt es niemanden, der in Frage stellt, wie viel Ratingagenturen von den Staatshaushalten des entsprechenden Landes verstehen.
Ich hoffe dass ich Ihnen mit diesen Hinweisen weiter helfen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Thomae, MdB