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Stephan Thomae
FDP
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Frage von Hartmut E. •

Frage an Stephan Thomae von Hartmut E. bezüglich Wirtschaft

Wie stehen Sie zu dem Rettungsschirm? Werden Sie dafür oder dagegen stimmen?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Eppel,

vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich Ihnen gerne antworte und Ihnen meine Abstimmungsgründe erläutere. Bitte entschuldigen Sie vorher noch, dass ich Ihnen eine etwas verspätete Antwort zukommen lasse.

Die Staatsschuldenkrise in Europa stellt die Europäische Union vor ihre bislang schwierigste Aufgabe. Die FDP stellt sich dieser Aufgabe von Beginn an mit der nötigen Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern in Deutschland, aber auch gegenüber dem europäischen Einigungsprozess und der EU insgesamt.

I.

Aufgrund der inzwischen verbreitet hohen Schuldenquoten von deutlich über 60% des jährlichen Bruttoinlandsproduktes und zum Teil erheblichen Wachstumsproblemen fürchten viele Experten die Gefahr einer „Ansteckung“ anderer Länder der Eurozone. Daher muss die Politik auf europäischer Ebene gemeinsame Lösungen für die betroffenen Länder finden und das Vertrauen der Finanzmärkte insgesamt wiederherstellen.

II.

Vor dem Hintergrund, einem weiteren Rettungsschirm die Zustimmung zu verweigern, muss man sich die Frage stellen, was die Alternative zu den Stabilisierungsmaßnahmen und Vorhaben der christlich-liberalen Koalition in ihrer Konsequenz bedeuten würde.

1. Die erste Folge einer ungeordneten Insolvenz eines Mitgliedsstaates wäre, dass Inhaber der entsprechenden Staatsanleihen diese Papiere abschreiben müssten. Dies würde Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit fast jeden Privatanleger insbesondere bei Fragen der Altersvorsorge treffen.

2. Die zweite, weitaus gravierendere Folge wäre, dass der Kapitalmarkt einen negativen Lerneffekt erzielt und fortan bei risikobehafteten Staaten Kredite nur noch gegen erhebliche Zinsaufschläge zur Kompensation des Ausfallrisikos gewährt. Hierdurch würden andere schwächere Staaten aufgrund immer höherer Refinanzierungskosten gewissermaßen einen Insolvenzbeschleuniger erfahren. Die Folge könnte eine Kaskade wirtschaftlich zusammenbrechender Staaten sein, die aus dem Euroraum aussteigen, ihre eigene Währung einführen und diese erheblich abwerten müssten. Eine solche Kaskade würde wiederum die Banken, Versicherungen, Rentenfonds und damit hauptsächlich Privatanleger treffen, da die Anleihen trotz eines Währungswechsels noch immer in Euro dotiert sind und entsprechend kaum zum vollen Wert abgelöst werden dürften. In der Folge droht der Zusammenbruch eines ganzen Wirtschaftsraums, der insbesondere die hauptsächlich am Export orientierte, deutsche Volkswirtschaft treffen würde. In der Konsequenz eines derartigen Szenarios wäre mit starker Inflation und Massenarbeitslosigkeit auch hierzulande zu rechnen. Der Leidtragende dieser Entwicklung wäre der Steuerzahler in Deutschland!

3. Im Falle eines harten Schuldenschnittes, müssten auch die wahrscheinlichen Folgen einer „Default“ - Wertung am Kapitalmarkt berücksichtigt werden. Genau taxieren jedoch lassen sich die bereits eingangs beschrieben Folgen eines europäischen Flächenbrandes in einer genauen Geldsumme jedoch nicht. Als Abgeordnete des Deutschen Bundestages tragen wir bei diesem Thema viel Verantwortung und müssen uns mit den Folgen unseres Handelns oder Unterlassens sehr genau beschäftigen.

III.

Vor diesem Hintergrund erscheint der ernsthafte Versuch, einen in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedsstaat zunächst zu stützen und ihm gleichzeitig eine Sanierungskur zur Erreichung gesunder Strukturen und damit dauerhafter eigener Stabilität angedeihen zu lassen, weitaus weniger risikoreich für unsere deutschen Interessen. Daher müssen wir mit geeigneten Institutionen und Regeln vorsorgen, die eine Kettenreaktion vermeiden und den Zusammenbruch des Wirtschaftsraums gar nicht erst zulassen.

Solidarität ist jedoch keine Einbahnstraße! Unverzichtbare Bedingung jedweder Hilfeleistungen muss ein tragfähiges und zukunftsweisendes Anpassungsprogramm für den hilfesuchenden Mitgliedstaat sein, das ihm rasch zu eigener Kreditwürdigkeit am Kapitalmarkt verhilft.

Wer Hilfe beansprucht, weil er seine strukturellen Hausaufgaben in der Vergangenheit liegen ließ, kann auf Solidarität anderer Staaten nur hoffen, wenn er seinerseits Solidität bei seinem Sanierungsprogramm zeigt. Deshalb haben wir als FDP durchgesetzt, dass vor jedweder Hilfsmaßnahme immer ein zwischen dem Mitgliedstaat und IWF, der Kommission und der EZB einvernehmlich ausgehandeltes Sanierungsprogramm stehen muss.

Für die FDP sind folgende Punkte von Bedeutung:

1. Aus meiner Sicht muss klar sein, dass es nicht fortgesetzte Hilfen für ein Land geben darf, falls sich herausstellen sollte, dass dieses seine Schulden nicht aus eigener Kraft wird zurückzahlen können. Es darf nicht dazu kommen, dass ein insolventes Land dauerhaft von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterhalten wird. Hier kommt der Schuldentragfähigkeitsanalyse des Internationalen Währungsfonds eine entscheidende Bedeutung zu. Für die FDP war die Einbeziehung des IWF Voraussetzung, weil der IWF als einziges Gremium mit der Insolvenz von Staaten Erfahrung hat (z.B. Mexiko, Argentinien, Uruguay, Ungarn, Estland, Russland).

2. Für die FDP-Bundestagsfraktion ist ferner die Wahrung der Parlamentsrechte besonders wichtig. Das Recht, über Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, ist das Königsrecht des Parlaments. Es ergibt sich direkt aus dem Demokratiegebot, welches in Art. 20 Grundgesetz verankert ist.

Bei der Einrichtung des zukünftigen, dauerhaften Euro-Stabilisierungsmechanismus („ESM“) hat die FDP-Bundestagsfraktion bereits vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September 2001 auf ein Maximum an parlamentarischer Entscheidungen gedrängt. Wir wollen, dass alle Entscheidungen des ESM, die das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages berühren, durch einen strikten Parlamentsvorbehalt abgesichert und damit demokratisch legitimiert werden.

3. Wenn Notenbanken, wie die EZB oder die Bundesbank, Staatsanleihen kaufen, kann man das zwar unerfreulich finden. Die FDP wird sich jedoch nicht in die Notenbankpolitik einmischen und damit das bisher bewährte System unabhängiger Notenbanken in Frage stellen.

4. Weil bei aller Sensibilität der Finanzmärkte Risiko und Lasten gerecht verteilt sein müssen, hat sich die FDP für eine angemessene Beteiligung privater Gläubiger eingesetzt. Hierfür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, von denen es gilt, die für den Steuerzahler bestmögliche zu ermitteln und einzusetzen. Einen wirklichen Einstieg in eine freiwillige und gleichwohl substanzielle Beteiligung privater Gläubiger hat der Gipfel vom 21. Juli hervorgebracht. Wie ich finde kann insbesondere die FDP hierauf sehr stolz sein, zumal es nicht zuletzt auf unser Drängen hin überhaupt erst zu dieser Gläubigerbeteiligung gekommen ist.

IV.

Nach all dem sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass das fraglos bestehende Risiko einer weiteren Eurostabilisierung bei weitem geringer ist als das, was unserer Volkswirtschaft und unserem Land bei einem freien Spiel der Kräfte in dieser Erschütterungsdynamik in letzter Konsequenz droht.

V.

Lassen Sie mich aber auch darauf eingehen, wie die Opposition die Euroschuldenkrise meistern möchte. Hierbei sei erwähnt, dass SPD und Grüne übrigens maßgeblich selber zu dieser Verschuldungskrise beigetragen haben, indem sie 2001 die Aufnahme Griechenlands in die Eurozone ohne wirkliche Überprüfung der Erfüllung von Aufnahmebedingungen trotz berechtigter Zweifel und Warnungen durch Union und FDP seinerzeit geschehen ließen, und 2004 den Stabilitäts- und Wachstumspakt in ihrer Regierungszeit in fataler Weise aufgeweicht haben.

Führende Vertreter von SPD und Grünen gerieren sich nun aber als große Lehrmeister und fordern die Einführung von Eurobonds, Schuldenrückkaufprogrammen und größeren Hilfsprogrammen zu günstigeren Konditionen für die Schuldnerländer. Sie beklagen das schlechte Image Deutschlands bei einzelnen Ländern im Mittelmeerraum und würden gerne noch umfangreichere Kredite, jedoch ohne Sanierungsbedingungen, an andere Länder vergeben. Wären sie heute an der Regierung beteiligt, hätten wir jetzt die Haftungsgemeinschaft in der Eurozone und damit dauernde, erhebliche Transfers des deutschen Steuerzahlers in andere Euro-Länder, die Einführung von Euro-Bonds und einen Auslösungsmechanismus ohne Parlamentsvorbehalt.

Deutschland hat viele strukturellen Hausaufgaben, nicht zuletzt mit der Agenda 2010, die die FDP konstruktiv als damalige Opposition begleitet hat, zu einem wesentlichen Teil, unter schmerzhaften Entbehrungen, bereits gemacht. Diesen anstrengenden Gesundungsprozess nun anderen Staaten ersparen zu wollen, wie SPD und Grüne es ganz offensichtlich vorhaben, indem sie aus falsch verstandener Solidarität bedingungslose Geldgeschenke machen wollen, ist nicht nur unehrlich gegenüber dem hilfebedürftigen Mitgliedsstaat, sondern vor allem ein Schlag ins Gesicht der Steuerzahler in Deutschland!

Die FDP-Bundestagsfraktion hingegen pocht bei diesem Balanceakt auf die bestmögliche Wahrung der Interessen der Steuerzahler in Deutschland. Bei den Maßnahmen zur Stabilisierung der Eurozone finden sich wesentliche, von der FDP immer wieder geforderte, Strukturmerkmale wieder. So haben wir erreicht,

• dass Hilfskredite nur unter strengen Auflagen gewährt werden dürfen,
• dass der Internationale Währungsfonds mit seiner unabhängigen Expertise und seinen strengen Kriterien beteiligt wird und
• dass Hilfsmaßnahmen nur einstimmig ausgelöst werden dürfen, d.h. dass Deutschland hier ein Vetorecht hat.

Die FDP hat bisher verhindert, dass sog. Eurobonds beschlossen werden, die eine gesamtschuldnerische Haftung der Staaten der Eurozone für Schulden anderer Eurostaaten vorsehen.

VI.

Es war keineswegs selbstverständlich, dass sich ein kleinerer Koalitionspartner in einem von 27 EU-Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene soweit durchsetzen konnte.
Die FDP wird sich als Europapartei auch weiterhin mit aller Energie dafür einsetzen, dass die der Verschuldungskrise zugrundeliegenden Probleme gelöst und nicht auf die nächste Generation verschoben werden. Denn es ist keineswegs derjenige der bessere Europäer, der mit immer neuen Hilfsprogrammen die Solidarität der solider wirtschaftenden Länder überfordert und damit auch diese in den Abgrund der Überschuldung treibt, bis die Eurozone daran zerbricht.

Daher setzen wir uns auf europäischer Ebene für eine erhebliche Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ein. Wir werden auch weiterhin dafür kämpfen, dass die Steuerzahler trotz der Verschuldungskrise so wenig wie möglich belastet werden.

Die FDP ist und bleibt die Partei der Europäischen Integration und der Wirtschaftskompetenz. Gemeinsame Konzepte für stabilitätsorientierte Haushalts- und Wirtschaftspolitiken im Euro-Währungsgebiet sind die Grundlage dafür, Verschuldungskrisen einzudämmen und künftig zu vermeiden. Nur so können wir Europa gemeinsam erfolgreich gestalten, die Europäische Integration fortsetzen und verfestigen.

VII.

Dank des stabilen Aufschwungs und des im vergangenen Jahr umgesetzten Zukunftspakets haben wird die Neuverschuldung nach den Plänen der Bundesregierung im Jahr 2012 mit rund 26 Milliarden Euro um rund 14 Milliarden Euro geringer ausfallen als in der bisherigen Finanzplanung unterstellt. Damit unterschreiten wir die gesamtstaatliche Maastricht-Defizitquote bereits in diesem Jahr um voraussichtlich 1,5 %. Die sich dadurch ergebenen finanziellen Spielräume, die sich im Rahmen der parlamentarischen Beratungen ergeben, wollen wir vorrangig zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme einsetzen.

Dieser Erfolg reicht uns aber nicht: Mittelfristig wollen wir einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden vorlegen, um dann den Abbau des angehäuften Schuldenberges anzugehen. Diese Lehre haben wir aus der aktuellen Schuldenkrise einiger EU-Länder in der sichtbar wird, welche dramatischen Konsequenzen einer uferlose Ausdehnung der öffentlichen Verschuldung nach sich zieht.

Diese guten Bedingungen haben die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dazu veranlasst, sich der längst überfälligen Steuerentlastung anzuschließen. Als Umsetzungstermin wurde der 1. Januar 2013 vorgeschlagen. Dieser Termin findet die volle Unterstützung der FDP. Jetzt geht es darum, auf Grundlage des Koalitionsvertrages möglichst zügig die Eckpunkte der künftigen Steuerreform auszuarbeiten. Die Union steht jetzt mit ihrer klaren Zusage bei den Bürgerinnen und Bürgern im Wort, eine steuerliche Entlastung nicht länger hinauszuzögern.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Hinweisen weiter helfen konnte.

Es grüßt Sie freundlich
Stephan Thomae, MdB

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